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Stefan Beck an Verena Kuni, 11.2.1994
11. 2. 1994
[aus der Diskussion um das Lenin Zitat der Musikgruppe Freundschaft]
liebe verena,
der vorwurf der unzeitigkeit ist mir schon sattsam bekannt. ja, er scheint Überhaupt der einzige zu sein, der im zusammenhang mit unserem text aufgeworfen wurde. gerade darin liegt doch die frage: einen unzeitigen text, als solchen ich dieses lenin-zitat ebenfalls auffasse, in einer unzeit zu verwendung bringen. was bedeutet das? und was heisst es, das etwas durch die ereignisse oder die realitaet eingeholt sei? als die dadaisten schrien:es geht noch lange nicht grausam genug zu, tobte der kampf um verdun. verhaengnisvolle gleichzeitigkeit oder ein zynismus, der einbisschen spaet kam? dada war schon immer fuer den krieg??
die bisherigen reaktionen zeigen eindeutig, dass es nicht erlaubt ist, sich aus diesen zeitlichen bezuegen zu entfernen. die behauptung, freundschaft sei avantgarde wird mit einer solchen beharrlichkeit attackiert, dass ich den eindruck habe, dass diese position noch lange nicht aufgegeben wurde. eben doch nicht NICHTS. wir sind doch das wesentlich nihilistischer, habe ich den eindruck. der hinweis auf marinetti und rechte groeler verschleiert gerade die luecken, die ein linkes fortschrittsmodell aufweist - die furcht, die rechten koennten links ueberholen. konservative revolution nannte man das in den 20ern.
ich habe den eindruck, dass gerade wegen den neuen rechten ein konzept einer avantgarde nicht angetastet werden darf, wie wir es getan haben. es MUSS schliesslich opposition geben, oder nicht? ja, es muss! aber nicht als dogmatik.
freundschaft spielt weiter.
herzliche gruesse
stefan beck