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Stefan Beck an Manu Burghart - 17.3. 1994
17. 3. 1994
Liebe Manu, im Moment ganz ich froh sein, wenn ich es schaffe Fotoabzüge abzuholen. (Übrigens habe ich sehr schöne von unserer Wiener Atelier- und Papparaziaktion bekommen) ich weiss absolut nicht, was ich machen soll. Leider habe ich hier überhaupt keine Bekannten. Gestern war ich auf einer 7.0.7 Runde, das war total öde, irgendwelche Technikfuzzis stritten sich, ob das Netzwerk nicht besser unter UNIX laufen sollte! Von 7.0.7. kommt auch nichts. Hier ist auch momentan tote Hose was Kunst angeht. Jetzt ist nächste Woche Kunstmesse hier, da bin ich schon gespannt, was da kommen wird, ob das wenigstens für ein paar Tage einen Flash gibt oder ob alles so bleibt wie es ist. Der Schm./Ex. hat mich wieder angerufen, weil er jemanden hat (vielleicht), der eine Architektursimulation bräuchte. Hab ich gesagt: Prima, dann kaufen wir eine Silicon Graphics und machen das. Der Schm.: Grosser Gott! Wieder 50.000 DM investieren! Immer wenn etwas ernst wird, macht er sich in die Hose. Ich fürchte schon, dieser Auftrag gehr flöten, weil er keinen Mumm dazu hat. Wenn er wenigstens etwas bei der Stange bliebe, ich hab schon überlegt, ob ich nicht eine Silicon kaufe und versuche das Geschäft zu machen. Wenn noch der Auftrag von Hoechst dazu käme, wo der Sch. auch noch verhandelt, dann würde es sich wirklich lohnen. Das wäre natürlich super, zumal die Wavefront mir ja versprochen haben, mir die Software zu schenken. Aber ich fürchte, ich hänge Luftblasen hinterher. Letzte Woche war ich auf einem Hauskonzert gewesen. Da gibt es jemanden [Peter Wiesenthaner], der macht in seiner Wohnung kleine Konzerte mit Tonträgern. Das war gar nicht schlecht, weil wir trotz der etwas dürftigen Performance von einem Typen, der Improvisationen mit Minidisk und Vierspurrecorder vorführte, sehr schnell zu substantiellen Themen von Musik, wie der Gegensatz zwischen reiner- und Stimmungsmusik vordrangen. Das ist, zugegeben nicht jedermanns Sache, aber angesichts immer öderer Vernissagen wieder ein Lichtschimmer für den Betrieb. Mir kommt es fast vor, als würde nur noch die Musik einiges bewegen. Das ist ziemlich schade. Diese ganze Mediengeschichte, die der Weibel aufgebaut hat (incl. Institut) eine einzige Lüge -ich hab daran glauben wollen. Aber es kann doch nicht sein, dass man immer mit irgendwelchem Konsumerschrott arbeiten muss, weil alles andere von hoffnungslosen Medienanalphabeten besetzt ist. Wie kann es mit mir und Inge weitergehen, das ist momentan die Frage. Das Schlimme ist, dass wir beide in absolut dummen Situationen sind. Keiner kann dem anderen helfen, und manchmal jammern wir uns beide etwas vor. Bei ihr ist ja so, dass noch nicht einmal die Möglichkeit besteht viel voran zu kommen. Ich kann ja immer noch daran glauben, weil es einige Beispiele gibt, wie man mit Kunst oder Computergrafik zu Geld kommen kann, aber Gitarristen sind allgemein Hungerleider. Selbst der Professor von Inge geht in den Semesterferien im Weindorf arbeiten, weil das Geld nicht reicht. Gitarrenunterreicht ist eigentlich etwas für Frauen, die daheim einen gut verdienenden Mann haben und sich noch ein Taschengeld verdienen wollen. Das ist bitter, weil in der Kunst jeder gleich sagt, dass man davon nicht leben kann. Wer Gitarre studiert, hat es am Anfang ja noch gut, weil der Unterricht nebenbei noch ein willkommenes Zubrot ist. Aber wenn man dann schliesslich davon leben soll. Das ist so eine Situation, wo eigentlich nur noch wenig Raum für Beziehung bleibt. Jeder ist so mit sich selbst beschäftigt.
PDO