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Stefan Beck an Verena Kuni - 20.5.1994
20. 5. 1994
Liebe Verena,
ich bin ganz froh, dass es noch ein paar Menschen gibt, die eben so denken, wie ich.
Was Du bez. der Finanzen aus Idealimus ansprichst, ist ein arges Problem, ich aergere mich immer wieder ueber sog. Kunstvermittler, fast schon in meinem Alter, die es immer noch nicht fertig bringen, den Kuenstler ein anstaendiges Honorar fuer ihre Arbeit zu zahlen. Ich meine HONORAR, nicht bloss irgendwelchen Aufwandsentschaedigungen oder Materialkosten, was auch schon oft zuviel verlangt ist. Kuerzlich habe ich in einem Modejournal gelesen, wie sorgsam die jap. Designer ihre Vertriebswege aussuchen, nicht mehr als einen dealer in einer Stadt. Wer ihre Sachen verkaufen will, muss erstmal zeigen, dass er dazu auch in der Lage ist, und am Anfang auch im Voraus bezahlen. Das waeren doch auch Anregungen fuer die Kunst. Wer BECK vertreten will, muss erstmal einen Umsatz garantieren. Fuer Kuenstlerohren ist das gar nicht geschaffen, ich schaem mich schon fast, so brutal moeglichen Galeristen entgegenzutreten - aber das zeigt ja auch wie gering ich mich schaetze.
Also "Kunsthysterikerin" ist gar nicht schlecht, das ist auf der Couch sicher ein ergiebiger Fall. Ich neige eher zur Zwangsneurose - so Computerkunst usw, zwanghaftes einhacken auf eine Computertastatur, immaterielle Kommunikation, oh je.
Wenn ich mich recht erinnere, unterschied Freud die Hsyteriker von den Zwangsneurotikern darin, dass erstere den Anlass des Affektes schlicht verdraengt haben, waehrend letztere den Affekt an eine andere, weniger verletzliche Stelle verschoben haben, so dass das ausloesende Ereignis zwar erinnert aber nicht mehr affekt besetzt wird. Die einen koennen, aber erinnern nicht, die andern erinnern aber koennen nicht. Die Erinnerung ist mir manchmal eine Qual, das Gedaechnis gibt mir einfach nicht nach. Ich beschaeftige mich auch dauernd mit externen Materialisationen des Memory, Speicher, Bibliotheken, Archive, Datenbanken etc. Zwanghaft. Eben noch ueber Frank Sinatra gelesen, dass der 25 mal am Tag die Unterwaesche wechseln musste. Und angeblich 6000 Frauen hatte. Gruselig, so ein Zwang.
Bis bald
stefan