Thing Frankfurt Blog / Archiv

Stefan Beck über Voges + Deisen - 20.5. 1994

20. 5. 1994

Galerie Voges + Deisen
Ausstellung Jean Luc Cornec
Eroeffnung am heutigen Abend.

Ich schaue mir auf Eroeffnungen nie die Arebeiten an, sondern immer nur die Leute, wie sich in Ihnen die Arbeiten wiederspiegeln.
Ich muss sagen V+D sind auf dem Weg eine RICHTIGE Galerie zu werden. Die Fase des Experimentierens, mal n Steadelschueler, mal neue Medien, ist vorbei. Ab jetzt wird gezaehlt. Ich frage mich, wer wird ihnen klar machen, dass man 1994 keine richtige Galerie mehr machen kann. Gut, es ist kein Parkettfussboden in einer Gruenderzeitvilla, sondern nur ein Schuppen im Nordend, aber die Falten sind streng, die Roecke zuechtig, nur die Krawatte und der Ausschnitt duerfen dieses eine mehr, das die Gruenderzeitvilla nicht erlaubt haette. Ich bin boese, aber der Abend war von einer zutiefst buergerlichen Stimmung durchzogen, es gab einen Anlass, es war ein Ereignis, und es gab auch Blumen. Trotzdem, der Eindruck dreangt sich auf, einem Event beigewohnt zu haben, das nur noch als Nische Bestand haben kann, draussen vor der Strasse schon das demokratische Einerlei, Mittelstandsautos, Gaslaternen, am Lineal aufgezogene Abfalltonnen.
Denn das buegerliche duldet in jeder Hinsicht nur das Extrem, es romatisiert Penner und Genie gleichermassen. Nichts ist buergerlicher als der Abscheu vor dem Mittelmass.
Eine politische Oekonomie der Zeichen ist bei V+D vergeblich zu suchen, wie auch die Staedelschule kein schlechtes Gewissen haben musste Baudrillard letzte Woche eingeladen zu haben, sie hat ihn schlichtweg nie zur Kenntnis genommen, so kann sie lueckenlos an ihr Pre-80ies Grufty-Zeit anschliessen. Grunge war immer schon Punk, nur etwas feiner, Stuessy sei Dank.
Die Galerie als Ort der buergerlichen Auseinadersetzung mit Kunst, als Ort quasi-aesthetischer Transpiration (ansonsten Chanel No.5) existiert schon lange nicht mehr. Ich will mich hier nicht darueber auslassen, wer sie beerbt haben koennte, aber dass jetzt BANKEN Kunst sammeln, waehrend sie gleichzeitig Spassvoegeln Einkaufpassagen wie Adlerhorste mit vergoldeten Zaunspitzen finanzieren, die sich kurzerhand in die Karibik absetzen, denuniziert den Anspruch der Vermittlung, auf den sich noch jede Galerie zurueckziehen konnte, als Aberglauben, als vergeblich Hoffnung auf Osmose kuenstlerischer Eingebung, die es so auch nicht mehr gegeben hat.
Cha la la Bacardi Rum!

Stefan Beck

PDO

[07/2015] Wegen Serverwechsel können wir die Seite Thing Frankfurt Blog in der bisherigen Form leider nicht mehr weiterführen.

Zur Zeit sind nur ausgewählte Artikel verfügbar.

Wir wollen zu Wordpress wechseln. Wer kennt sich aus mit Datenmigration, MySQL, eXtended RSS und könnte uns helfen? Freundliche Hinweise über Kontakt

Alles andere, Impressum etc auf Thing Frankfurt

Unterstütze uns mit:

© Thing Frankfurt Blog, seit 2002.