Thing Frankfurt Blog / Archiv
Stefan Beck an John Dunn - 25.5.1994
25. 5. 1994
Lieber John Dunn,
ich kann Dir in Deinem Kommentar nicht ganz folgen: a) was heisst denn "etwas reaktionaer und Hippie maessig"?
Reaktion, verstehe ich immer noch als bestimmende Politik des Vormaerzes, als schon nach den Befreiungskriegen erreichte politische Errungenschaften (Pressfreiheit z.B.) wie rueckgaengig gemacht wurden. Eine solche Formulierung ist zweifelslos eine Wertung, aber ich kann in unserer automobilen Gesellschaft einfach keine Errungenschaft sehen, die ich durch mein Plaedoyer fuers Fahrrad wieder reuckgaengig machen wollte. Im Gegenteil, ich wuenschte, ich koennte die Zerstoerungen, die der Autoverkehr gerade hier in FFM angerichtet hat, wieder rueckgaengig machen. Was das Hippie maessige angeht, so finde ich Amsterdam doch recht angenehm, das sorgt gerade so eine "Hippie"-Mentalitaet fuer eine weitgehend autofreie Innenstadt. Obsonsten ich nicht viel von Hippies nicht viel verstehe, koennte man es vielleicht auch hier in FFM mal versuchen.
Natuerlich kann ich auch Autofahrer verstehen, wie ich andere Abhaengige auch zu verstehen versuche, aber damit muss ihr Tun noch nicht rechtfertigen. Wenn ich dauernd so verstaendig bin, dann wollte ich vielleicht noch verstehen, dass, wie eine Freundin neulich andeutete, Autofahrer Auslaender dafuer verantwortlich machen, dass es in der Innenstadt keine Parkplaetze mehr gibt. Absurd? Sie meinte, es wuerde ja in der Stadt immer schwerer einen Parkplatz zu finden, und natuerlich ist die Stadt daran schuld, die die Parkplaetze kuenstlich verknappe. Und wem kaeme das zu Gute? Natuerlich den Auslaendern. Wie mit den Sozialwohnungen. Da haben ja Deutsche angeblich auch keine Chance mehr. Das ist eine vollkommen fiktive Argumentation, aber nicht unplausibel, wie ich meine.
"On the road" ist ein schoenes Buch, kann ich durchaus akzeptieren, auch andere futuristische Hymnen auf Mobilitaet und Geschwindigkeit, aber das hat gar nichts mit dem Irrsinn in unseren Staedten zu tun, mit dem Heer von ekelhaften Mittelstandsautos, die jeden Tag in die Stadt einfallen, die jedes Stuecken Gehsteig besetzen und die Luft verpesten. Wenn es das ist, was Kerouac oder Marinetti meinten, dann waren sie arm.