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Stefan Beck an Stefan Römer - 15.6.1994
15. 6. 1994
Lieber Stefan,
ich kannn Dir zwar zustimmen, dass FrischMacherInnen theoretisch die Ebene ist, auf der Gemeinsamkeiten stattfinden, aber wie sieht es denn praktisch aus? Fuer einen Moment dachte ich, dass Du mit dem „hier“ etwa TT meinst, das hat fuer mich ueberhaupt nichts mit Gemeinsamkeit zu tun. Das Netz ist fuer mich kalt - aber nicht cool. Ich bin daher erleichtert zu hoeren, dass im Anschluss an meinen Vortrag eine Party geben soll. Parties halte ich potentiell fuer warm, so lange der Austausch und das Kennenlernen unter Fremden moeglich gehalten wird. Was ich daher ueberhaupt nicht abkann sind dunkle,laute Räume, wo man sein Gegenueber weder sehen noch verstehen kann. Ich habe letztens nur aus meiner isolierten FFM Randlage gesprochen, die mir leider keine Gemeinsamkeiten mit FM ermoeglicht. Ich finde es ausdruecklich schade, dass ich die einzelnen Vortraege nicht miterleben konnte. Als Wiedergabe in TT finde ich sie nicht so wertvoll, es ist mir auch wichtig, wie jmd etwas vortraegt. (Kann es ein, dass hier in FFM etwas fehllaeuft, aber ich habe noch keinen echten Vortrag im FM Board gefunden, nur Abstracts)
Du schreibst „Gemeinschaft als feste verlaessliche soziale Struktur ist nicht mehr zeitgemaess.“ Ist das eine Feststellung oder ein Imperativ?
Fuer mich ist das keineswegs so aufzugeben, auch wenn es nicht mehr Familie oder Zweierbeziehungen sein muessen, aber auch ein Freundeskreis (eben „freundschaft“) ist eine feste verlaessliche Struktur, jedenfalls sollte er das nach m. M. sein. Was sollte daran nicht mehr zeitgemaess sein?
„wiedererkennbare Gruppenzugehoerigkeit in Form von Mode“, warum soll das nicht mehr moeglich sein? Das mag vielleicht fuer eine Minderheit wie Nazis in Chevignon-Bomberjacken zutreffen, aber doch nicht fuer die Mehrzahl der Techno-, Rave und Hip-Hop-Kids, ganz zu schweigen von der Mehrheit der arbeitenden Bevoelkerung, die doch ganz erheblichen Codices unterliegt. Hier in FFM ist gerade an der Kleidung sehr deutlich zu sehen, wer wo auf der sozialen Leiter steht. Die SekretŠrin muss einfach anders gekleidet sein, wie ihre akademische Chefin, und es ist nicht nur ein MUSS, das von aussen an sie herangetragen wird (von der Betreibsleitung), sondern jede wird von sich aus, sich differenzieren wollen. Ganze Berge von Frauenzeitschriften geben doch da Hilfeleistung.
„(diskursive) Auseinandersetzung an politischen Themen“, ist das wirklich Dein Gemeinschaftsbegriff????. Das erinnert mich fatal an meine Asta-Zeiten, da glaubten wir auch so etwas. Aber letzlich ging es doch nur darum, wer wievel Waerme und Anerkennung von der Gruppe bekam. Vordergruendig wurde natuerlich heiss diskutiert und grosse Reden geschwungen, aber hinterher setzte dann der Schnupfen ein, wenn auf die Reden und Vorschlaege nicht genuegend Feedback kam. Dass das nicht nur der Spleen von Moechtegern- Revoluzzern gewesen ist, zeigt nebenher auch die Geschichte der Bolschewistischen Partei, in der sich doch vieles um die Idiosynkratien von Lenin drehte. Ich verstehe da vielleicht nicht alles, aber Lenin war doch eine extrem egozentrische Figur, die sachliche Angriffe immer persoenlich nahm.. Ich bin deshalb ueberaus mistrauisch, und ohne Freud zu sehr strapazieren zu wollen (Geld, Macht und Liebe der Frauen), vermute ich hinter solchen Konzepten niemals die reine Vernunft.
Schoen dagegen finde ich nochmals Deine Darlegung des Handlungsrahmens, was ich auch schon gegen den Michael Krome angefuehrt habe. In gewisser Weise wollte ich auch mit meiner Fahrrad-Story darauf hinaus. Es ist ja nicht nur das Intellktuellenhafte, was Dich von der Restbevoelkerung und damit vom gesicherten Einkommen trennt, sondern auch so eine simple Tatsache wie des Fahrradfahrens. Das hatte ich gestern nochmals sehr schoen erlebt als ich zu einem „Kunden“ raus in die Walachei fahren musste. Wo parkt man eigentlich sein Fahrrad auf einem Firmenparkplatz, der solches nicht vorsieht? Was tun, wenn man …lflecken auf der Hose entdeckt, die vorher noch nicht dagewesen waren? Die Aktentasche wie ein Exhibitionist (oder eher Onanist?) vor die unpassenden Flecken halten.
„mimetische Polylegierung“, ganz aehnlich verstehe ich auch die Arbeit von TWV, erstmal einen Rahmen schaffen, und sei er auch noch so klein, in dem etwas moeglich werden kann. Ja, man kann es nicht vorher wissen, man muss es erkunden. Genau das finde ich auch. Ein bisschen Neugier ist hier schon gefragt.
Solong!
Stefan