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Stefan Beck an Michael Krome - 24.9.1994
24. 9. 1994
Lieber Michael,
ich verstehe nicht recht, was Du mit Selbstgenuegsamkeit meinst. Glaubst Du, in anderen Staedten sieht es schlimmer aus? Das mag schon sein, ich wollte doch nur das spezifisch Hamburgische herausstellen. Dass sie dort immerwaehrend um sich selbst kreisen, fand ich bei meinem letzten Besuch, aus Anlass von sei dabei, wunderschoen bestaetigt, als der Mathias von weltbekannt, eben jenen TT Artikel überfliegendend meinte, was ich denn gegen HH haette, das sei doch das Zentrum seines Universums(!). Besser koennte ich auch nicht beschreiben, was mich an manchen Bewohnern HHs stoert. Ich kaeme nie auf den Gedanken FFM als ZMU zu bezeichnen. Es gibt auch noch andere Staedte, und genau dieses Urteil wuerde ein HHer niemals faellen.
Also, der Wert. Tatsaechlich bin ich noch unschluessig, wie ich das bedachte Phaenomen auch bewerten soll. Einerseits ist es ja durchaus positiv, wenn Kuenstler ausserhalb des Museums arbeiten, und das auch irgendwie durchsetzen zu koennen. Schliesslich sieht man ja hier in FFM, welche ungeheuere Macht Museumsleute wie Ammann oder Koenig besitzen koennen - und das an einem Ort, der keine nennenswerten Galerien dagegen stellt. Aesthetisch stellt sich bei mir die Frage, ob dieses ausserhalb stehen dann so aussehen muss wie DANK oder NEID. Anscheinend schon, denn mit Geld machen sie das gleiche scheussliche Layout, wie ohne dieses. (Was mir nur zeigt, dass es in dieser Form nicht aufs Geld ankommt, sondern auf den herrschenden Geschmack, der offensichtlich durch dieses Brutalo-Design attackiert werden muss.)
Inwiefern hat das mit der Diversifikation der TV-Medien zu tun? Im Gegensatz zu Lokal-Radios gibt es doch gar kein Lokal-TV, und anhand von Hamburg kann ich nur feststellen, dass sich die 8 Lokal-Radios nur in Nuancen unterscheiden. (Ich hoere meist Jazz-Welle, weil die weniger oft dumm dazwischenquatschen als die anderen, dafür fast auschliesslich Swing bringen - auch so eine verstaubte Hamburgiensie...) Im uebrigen kann ich die Informiertheit nicht per se als Vorteil sehen, es ist doch zu Fragen in welcher Relation sie zur Erscheinung steht. Ist Sei dabei trotz oder wegen der Informiertheit entstanden? Wer von allem den Preis weiss, ist meist billig zu haben., sagt Walter Serner. In welchem Zusammenhang die Informiertheit zu welchen Phaenomenen steht, ist meines Erachtens zu wenig beschrieben worden (aber das muesstest Du als Informierterer besser wissen). Es gibt so eine Sorte Kollegin (und Kollegen), die/der immer ueber alles Bescheid wissen und das Gespraech immer ueber diese Schiene suchen. Mir ist das immer unangenehm, weil es die Annahme nahelegt, Kunst waere so etwas wie ein Rezept, das aus moeglichst unausgenutzten Informationsbits zu bereiten waere. Marketingstrategien, nichts weiter.
Letztlich sehe ich, wie schon angedeutet, bei dieser Informiertheit die Gefahr, dass wir zu Computerheimarbeitern der Kunst verkommen. TT bietet schon jetzt die Grundlagen dazu.
Internationale Programm, der Dreh an meiner Geschichte war eigentlich der. Ueberlege Dir, nicht, statt den Kuenstler X aus USA (wg hohen Transportkosten....), den Kuenstler Y aus Deiner Nachbarschaft einzuladen, sondern aus Deiner Nachbarschaft Z, der eine genaue Kopie von X , aber wesentlich billiger zu haben ist. Meine hypthetische Annahme war die, warum konnte es in Hamburg zu einem Sei dabei Konsortium kommen, weil die Beteiligten schon laengst zu Zombies des Kunstgeschehens geworden sind. Klingt phantastisch, aber nur mal angenommen....
Vor sechs Jahren konnte Peter Weibel noch seine Ausstellung Inszenierte Kunstgeschichte machen, weil er eben nicht befuerchten musste, dass seine alter egos ihrem Dompteur ausbraechen. Heute waere zu bedenken, ob nicht Weibel selbst durch die von ihm in die Wege geleiteten Medien-Zombies ersetztbar ist. Keiner ist unersetzlich. Jeder ist austauschbar.
Herzliche Gruesse
Stefan Beck