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Thing Frankfurt 18.3.1994

18. 3. 1994

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Message #273 - SPUREN
Date: 15-Okt-93 19:38
Von: Heiko Wichmann
An: Hans-Joachim Lenger
Betreff: Kontext Kunst
Antworten: #271 <--> #274

Vielen Dank fuer Deine klar formulierte Antwort. Ich will mich bei meiner Antwort hauptsaechlich auf die drei Punkte: Vitalismus, Transformation und Ideologie beziehen.
Ebenso wie man sicherlich die begrifflichen Transformationen diskutieren muesste, die zu anderen Konfigurationen fuehren, muss vielleicht auch die Blockbildung 'Institution/Leben' diskursiv aufgeloest werden. Ich wollte sicherlich nicht diesen Widerspruch neu beleben. Ich glaube nicht, dass innerhalb dieser binaeren Logik argumentiert werden kann, ohne ein Phantasma zu produzieren, das aus der geforderten immanenten Analyse herausfuehrt. Dennoch kann - mit diesem Wissen, das sich auf keinen Grund stuetzen kann - gefragt werden, welchen Operationen diese Kompromissbildung bzw. Uebertragung unterliegt. Als vorsichtige Hypothese wuerde ich sagen: dem Widerspruch liegt immer ein Ideal zugrunde, dessen Produktivkraft sich nicht aus dem Bruch mit den Verhaeltnissen, sondern aus der idealisierenden Kompromissbildung speist, die einen Term priviligiert. In diesem Fall das 'Leben', das sich scheinbar aus dem Widerspruch windet, seine Genealogie aber nicht aufschluesseln kann.

Das sind komplizierte diskursive Operationen, deren positive Funktionsweise keiner Ideologie unterliegt. Eine Frage, die sich auftut, besteht beispielsweise darin, warum die Produktion des Phantasmas ('falsches Bewusstsein') nicht als kuenstlerischer Akt interpretiert werden kann. An diesem Punkt setzt meines Erachtens die Politiserung der Kunst ein, die sich - jenseits von Polizeikontrolle richtiger Gesinnung - weigert, die Moeglichkeit richtigen Lebens im falschen auszuschliessen. Denn auch der Begriff der Ideologie operiert mit blossen Gegenueberstellungen, ohne in die Phä nomene (und ihre basalen Codes) einsteigen zu koennen.

Ich glaube nicht, dass im Uebertragunsprozess die Elemente einfach die Seiten wechseln. Vielmehr handelt es sich um eine Transformation, die beide Seiten umfasst und die Idealbildung durchkreuzt. Insofern wandern meiner Ansicht nach auch nicht bestimmte, gegebene Elemente von der Seite des Kuenstlerischen zur Seite des Politischen hinueber (oder umgekehrt). Die Politisierung der Kunst - wie sie sich mit der Automation der kuenstlerischen Produktionstechniken entwickelte - bedeutet eine radikale Pluralisierung und Transformation der Ausdrucksmoeglichkeiten. Sie umfasst alle klassischen Kategorien, die kuenstlerische und politische Aktivitaet auf das Resultat begrenzen sollten. Radikale Pluralitaet gruendet weder auf das Eine (Resultat), noch auf die Dualitaet (Herrschaft), noch auf die Trinitaet (Idealisierung), sondern zeigt eine Bewegung an, die sich nicht begrenzen laesst. Die Automation der kuenstlerischen Produktionsweisen spielt die Forderung im Namen der "eigenen Ordnung" zu sprechen im BIOS durch. Im Namen eines Anderen.

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* Origin: SPUREN * THE THING DUESSELDORF (42:1002/2)
SEEN-BY: 1002/6

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Message #274 - SPUREN
Date: 21-Okt-93 02:18
Von: Hans-Joachim Lenger
An: Heiko Wichmann
Betreff: Kontext Kunst
Antworten: #273 <--> #275

Lieber Heiko,
Du thematisierst...

> Eine Frage, die sich auftut, besteht
> beispielsweise darin, warum die Produktion des
> Phantasmas ('falsches Bewusstsein') nicht als
> kuenstlerischer Akt interpretiert werden kann. An
> diesem Punkt setzt meines Erachtens die Politiserung
> der Kunst ein, die sich - jenseits von
> Polizeikontrolle richtiger Gesinnung - weigert, die
> Moeglichkeit richtigen Lebens im falschen
> auszuschliessen.

...und da mua ich gestehen, Dir einfach nicht folgen zu können.

1. Die Produktion des Phantasmas ist nicht die falschen Bewusstseins. Zwar versucht Zizek, auf diese Weise eine Lektre Lacans und eine Lektüre Marx' ineinanderzusetzen; doch setzt dies mehr Probleme frei als es lst;

2. Der "künstlerische Akt" unterscheidet sich vom Phantasma dadurch, kein Bild zu schliessen, sondern das Bild zu höhlen: Subversion des Bildes am Symbolischen.

Warum, um alles in der Welt, soll nun an diesem Punkt, verzeih, einer _Konfusion_ die Politisierung der Kunst einsetzen? An welchem "Punkt" im brigen? Dem des Phantasmas? Dem falschen Bewuatseins? Dem einer imaginren Konklusion des symbolischen Fehls, also der Verfehlung des Phantasmas?
Und ausdrücklich protestiere ich, wo Du schreibst, diese Politisierung bestehe in der Weigerung, "die Möglichkeit richtigen Lebens im falschen auszuschlieaen".

Ich protestiere deshalb, weil sich die ästhetische Theorie Adornos nicht im Nebensatz abhaken lat. Sicher, gewissen Praktiken des Transfers zwischen Kunst und Politik, die gerade so en vogue sind, kme dieser Haken sehr zupaa. Man zieht sich zurck und geniesst auf Parties das rauschende Leben, so als wäre es das richtige, und nennt das dann meinetwegen einen Kunst-Politik-Transfer.
Doch gerade, weil Du die Frage offenbar ernsthaft diskutieren willst, weshalb die Produktion falschen Bewusstseins nicht als künstlerischer Akt verstanden werden kann, erlaube ich mir den Hinweis, dass sich dergleichen Verstndnis nicht nur als falsches Bewuatsein und falsche Politik, sondern eben auch als fades Nachtgespenst dessen erscheinen drfte, was einmal Kunst hiea. Wie Du schreibst, handele...

> es sich um eine Transformation, die beide Seiten
> umfasst und die Idealbildung durchkreuzt. Insofern
> wandern meiner Ansicht nach auch nicht bestimmte,
> gegebene Elemente von der Seite des Kuenstlerischen
> zur Seite des Politischen hinueber (oder umgekehrt).
> Die Politisierung der Kunst - wie sie sich mit der
> Automation der kuenstlerischen Produktionstechniken
> entwickelte - bedeutet eine radikale Pluralisierung
> und Transformation der Ausdrucksmoeglichkeiten.

Naja, Dein Wort in Gottes Ohr. Ich kann davon nichts feststellen. Man müsste mir zeigen, worum es sich denn nun handeln soll. Was ich feststelle: alles andere als radikale Pluralisierung, vielmehr eine Transformation der Ausdrucksmglichkeiten, die immer nur innerhalb des Selben transformiert, ohne noch auf einen Widerstand zu stoaen, und deshalb sozuzsagen heialuft wie erkaltet zugleich.

Denn so sehr ich Dein kleines Sprachspiel mag, das mit dem BIOS (Leben, Basic Input Output System), so wenig will mir der "Name des Anderen" in diesem Spiel aufgehen, weil nicht einmal eintreten.

> Die Automation der
> kuenstlerischen Produktionsweisen spielt die Forderung
> im Namen der "eigenen Ordnung" zu sprechen im BIOS
> durch. Im Namen eines Anderen.

Der nämlich ist nichts, was sich im BIOS einschreiben lieae - weder dem des Lebens, wovon sich bei Heidegger einiges nachlesen lieae, noch dem der Betriebssysteme, über die man in Handbüchern nachschlagen mag.

Lieber Heiko, mglich, dass ich einiges, vielleicht vieles miaverstanden habe. Dann bitte ich um Hinweise.

Grua, Hans-Joachim

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