bei Ideen, Firmen und Institutionen ist es ja manchmal nicht einfach das genaue Geburtsdatum zu bestimmen; nicht anders verhält es sich mit The Thing Frankfurt, weshalb ich mir die Willkür herausnehme den Beginn von The Thing Frankfurt auf den 21. Juni 1992 festzulegen, dem Tag an dem ich zusammen mit Marko Lehanka Andreas Kallfelz in seinem 707 Büro besuchte, um mir auf seine Einladung hin The Thing anzusehen.
Ich muss gestehn, dass ich damals ziemlich skeptisch war, weil meine Netzeuphorie nach einigen bescheidenen Experimenten an der Lehrkanzel von Roy Ascott in Wien am Institut für neue medien hier in Frankfurt ziemlich verflogen war.
Peter Weibel hatte damals keinerlei Anstrengungen unternommen, das Institut ans Netz anzuschliessen; und auf Nachfragen an der Uni Frankfurt erklärte man mir, das man das Ding, das damals noch EARN (european research network) hiess und von u.a. IBM gesponsert wurde, sowieso bald abschalten würde.
So sassen wir beide in dem winzigen Büro in der Kaiserstrasse und lauschten dem Pfeifen und Gurgeln des Modems, das nach wo auch immer, eine Verbindung herzustellen versuchte. Schliesslich erschienen auf dem Monitor auf schwarzen Grund einige ascii-zeichen: "bbs thing new york" oder so ähnlich.
"So, wir sind jetzt in New York", erklärte uns Andreas Kallfelz.
Ich meinte nur "Ach so", und viel weiter kamen wir auch nicht, weil die Verbindung gleich zusammenbrach und sich nicht wieder herstellen liess. Worauf Lehanka, der dem Ganzen anscheinend genausowenig abgewinnen konnte, wie ich, das Thema wechselnd zum Frontalangriff auf Kallfelz ging: "Ei, was verdienst du denn so, Alter?" - eine Frage, übrigens, die mich bis heute immer wieder begleitet, wenn ich bei Institutionen The Thing vorstelle: "und wie finanzieren Sie das?".
Danach war erstmal nichts mit The Thing, bis ich dann im Herbst 1992 am Friesenwall in Köln Ausdrucke von Thing Diskussionen im Schaufenster liegen sah. In Köln waren sie schon etwas weiter, aber die Neuigkeit des Mediums liess noch jeden hergestellten Kontakt zu einem Ereignis werden, der es wert erschien ausgedruckt und präsentiert zu werden.
Hier in Frankfurt ging es aber erst richtig los, als Andreas Kallfelz einen eigenen Knotenrechner im 707 Büro installierte, den man vom Ortsnetz aus erreichen konnte. Das war, mein ich, so im Dezember 1993. Die glorreiche Mailbox Zeit war wohl so 1994, als es bei The Thing Frankfurt an die 60 BenutzerInnen gab.
Mit der Einführung des WWW war die Mailbox bald obsolet geworden; und nachdem Thing New York im Mai 1995 als erste im Internet erschienen, ging hier die Benutzung der Mailbox ziemlich schnell runter, so dass sie Anfang 1996 ganz abgeschaltet wurde.
Ich habe daraufhin die Leitung von The Thing Frankfurt von Andreas Kallfelz übernommen und auf dem Studentenaccount von Markus Halbe eine erste Internet Seite ins Netz gestellt. Das war im April 1996. Seit 1999 gibt es den eigenen Account http://www.thing-frankfurt.de
Mir gings von Anfang an darum, dass The Thing hier in Frankfurt überlebt; und gemessen an diesem Ziel stehen wir hier gar nicht so schlecht da.
Die Mailingliste ist seit ihrer Einführung vor zwei Jahren auf stabile 150 Mitglieder gestossen, die hier immer fleissiger posten. Und auch die Internet Seiten haben sich gerade für Auswärtige zu einem wichtigen Informationsmedium für künstlerische Projekte in Frankfurt ausserhalb von Galerien und Institutionen entwickelt.
Es gibt also Grund zu feiern, was aber noch nicht jetzt, sondern erst im Herbst stattfinden wird. Diesbezüglich sind wir schon in der Planungsphase. Wer etwas dazu beisteuern möchte und mitarbeiten ist herzlich eingeladen.
Ein Medium, wie The Thing wäre nichts ohne seine Benutzer; deshalb möchte ich schonmal euch allen auf der Liste für euere Treue zu Thing Frankfurt danken.
danke für die Erinnerungsstütze und überhaupt für diesen nostalgische Stimmungen
weckenden Rückblick. Der Modem war übrigens ein interner 2400-Baud Modem, den
ich aus Amerika mitgebracht hatte, wo er nur ungefähr 100 $ gekostet hatte, in
Deutschland waren die Dinger noch unerschwinglich, ganz zu schweigen von den
neuesten 9600ern. Beim Laden von Texten baute sich jede ASCII-Zeile einzeln auf,
und sich in New York einzuwählen, kostete ungefähr DM 10,- für 3 Minuten, aber
wenn sich dann der Sysop von der anderen Seite persönlich (Wolfgang Staehle aus
dem Keller in der White Street) zu Wort meldete, hatte das doch fast die
Qualität von physischer Präsenz.
Ab Ende 93 hatten wir dann einen 14.400er-Modem, einen gesponsorten 386DX und
einen Knotenpunkt, wo alle Thing-Diskussionsgruppen zweimal täglich upgedated
wurden, äußerlich sah das immer noch ähnlich primitiv aus, obwohl man in der
File-Area sich jetzt schon vom Thing New York bereitgestellte Bilder runterladen
konnte. 94 bis Ende 95 ging es dann auf nationaler und internationaler (New
Yorker) Ebene relativ lebhaft, teilweise fast obessiv zu, während das lokale
Frankfurter message board über seine ganze Existenz eher Versuchscharakter zu
haben schien und etwas isoliert vor sich hinwerkelte. Aber immerhin war man mit
den anderen Diskussionsrunden zumindest im Prinzip verbunden und konnte diese
lesen. Auch heute befindet sich die Frankfurter Thing-Community ja noch in einer
relativen Abgeschiedenheit, wenn sie auch besser funktioniert, dazu kommt, dass
es keine Verbindung mehr zu den anderen noch aktiven Thing-Stationen gibt.
Am Anfang war diese ganze Computer-Kommunikation wirklich noch sehr neu und
hatte gleichzeitig auch was sehr Archaisches. Gelegentlich gab es mal ein
Thing-Treffen im Büro, sozusagen zum gemeinsamen News-Update, einmal fand dabei
sogar ein aufregender Thing-Online-Event statt, wo über eine externe Vermittlung
alle Thing-Stationen live zum Chatten zusammengeschaltet waren. Insgesamt waren
solche Events natürlich viel kommunikativer, als die damals noch nicht sehr
selbstverständliche Kommunikation über das Message Board, wenn auch nicht
unbedingt viel bei rauskam. Vielleicht verschaffte das Gefühl physischer Nähe
letztlich nicht den entscheidenden Erkenntniswert, aber unterstützte doch unsere
großen, wenn auch diffusen Erwartungen.
Gruß
Andreas
Re: 10 Jahre Thing Frankfurt
10 Jahre Thing Frankfurt - 28. June 2002 - 16:31
jeja. wie die zeit vergeht. bald weren wir uns die ersten grauen
daten aus der festplatte zupfen muessen.
aber, auf dem nostalgischen fuss erwischt:
> Es gibt also grund zu feiern, was aber noch nicht jetzt, sondern erst im
> herbst stattfinden wird. Diesbezüglich sind wir schon in der planungsphase.
> Wer etwas dazu beisteueren möchte und mitarbeiten ist herzlich eingeladen.
dachte gerade, ob man eine lesung alter mails in erwaegung ziehen
koennte.
das hat ja schon fast was wie: alte gedichte aus grundschulzeiten.
es gab doch ein paar sehr sehr schoene dialoge (ich wuesste mindestens
zwei). also ich habe auf jeden fall noch ein paar back-ups; auch aus der
prae-tt-ffm zeit (also noch tt-dd), teilweise aber auf floppy -
hab ich eigentlich mehr deshalb aufgehoben, weil ichs nie uebers herz
gebracht
habe diese dinger endgueltig zu entsorgen. zur not haben aber
auch joerg & ulf die kompletten daten, soweit ich weiss.
die sollten mindestens beim feiern dann auch dabei sein, oder?
findet
*v
Re: Re: 10 Jahre Thing Frankfurt
10 Jahre Thing Frankfurt - 08. July 2002 - 01:21
Feiern? Wann und wo? Und von wem gibt's die Einladungen???
Die alten Daten gibt's wirklich noch irgendwo gesichert - vor nicht langer Zeit habe ich sogar mal die alte BBS in einer lokalen Configuration ohne grosse Mühe zum Laufen gebracht...
Vorsicht aber mit der Überbewertung des Inhaltes: der Zerrspiegel der Erinnerung schönt da doch ungemein...