Das Mori Art Museum II
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Wie schon im vorangehenden Artikel dargelegt steht das Mori Art Museum in einem integrierten Zusammenhang mit der Immobilieninvestition Roppongi Hills durch die Mori Group. So wie letztere eines der grössten Bauvorhaben in Tokyo der letzten Jahre darstellt, soll das Mori Art Museum der wichtigste Kunst-Ort, - und nicht noch ein weiteres Firmenmuseum in Tokyo werden. Dennoch stellte die Zeitschrift Metropolis die Frage „Braucht Tokyo noch ein Museum?“
Die beinahe müssige Erwiderung, daß Mori die beiden obersten Stockwerke des Mori Towers, in dem das Museum angesiedelt ist, auch gewinnbringend als Büroraum hätte vermieten können, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Neuerichtung mit einem Imageproblem in die Welt tritt. Kritiker sprachen von „an ornament in an over-designed retail-entertainment complex ("a museum in a mall")”, in Anspielung auf die Verkaufsflächen, die das Museum umgeben (und letztlich auch finanzieren).
Mori hat im Vorfeld einige Anstrengungen unternommen, dem zu begegnen. Zum einen wurde mit David Elliot, vormals Direktor des Museums für moderne Kunst (moderna museet) Stockholm, der erste Nicht-Japaner als Leiter einer japanischen Kulturinstitution berufen, zum andern suchte Mori durch Berufung namhafter internationaler Museumsfachleute in den Aufsichtsrat des Museums den Status des Museums abzusichern. Dazu gehören das Museum of Modern Art New York, die Tate Gallery London, sowie das Centre Pompidou Paris.
Gleichwohl scheint nicht ganz schlüssig, inwieweit das Mori Art Museum Kunst und Kommerz sauber von einander trennen wird
Metropolis „But for an internationally-oriented institution, it could be a PR problem-"Where's the museum? There, above Goldman Sachs"-an image of art being literally supported by business.”
Wer mit dem Fahrstuhl in die 52. Etage fährt, steigt im Museumsshop aus, und wer dann wieder mit dem Fahrstuhl herunterfährt, landet wieder in einem Museumsshop, und nachfolgend in Ladenpassgen.
Schwerwiegender scheint mir allerdings die integrale Einbindung von Kunst auf dem gesamten Roppongi Hills Gelände zu wiegen. Im Außenraum sind, quasi als Prelude auf das Museum ca. 14 Skulpturen oder Installationen von namhaften japanischen Künstlern angebracht worden. Besonders heben sich dabei die Arbeiten von Takeshi Murakami ab, der nicht nur den Eingangspavilon mit seinen Happy Flowers ausgestattet hat, sondern auch auf Prospekten, Plänen und weiteren Flächen mit seinen Kreaturen präsent ist. Eine davon, so abgebildet als zentrales Leitmotiv, trohnt in vollkommener Verzück auf dem sich durch die Wolken schiebenden Mori-Tower. Könnte die Botschaft lauten: „Die Kunst steht über allem“? oder heisst es eher „Mori bildet das Fundament für Kunst?“
Eindrücklich jedenfalls die vollkommene Abwesenheit von Themen, die die individuelle Eigenwelt der Künstler verliessen, sich nur irgendwie politisch äusserten, oder einen Standpunkt darstellten, der in irgendeinerweise, sich auf den derzeitigen Stand der japanischen Gesellschaft kritisch bezöge. Ein „Free Tibet“ wäre hier vollkommen undenkbar.
Die Kunst steht hier, als Behübschung eingesetzt, im totalen Dienst des Roppongi Hills Mechanismus: alles ist nett, alles ist schön, alle sind glücklich. Man könnte hier auch gar nicht mehr von Kunst am Bau sprechen, weil Bau und Kunst eins geworden sind.
Wozu braucht es dann überhaupt noch Kunst? Sicherlich besteht hier ihr Zweck darin, auf das Andere hinzuweisen, das Kunst möglicherweise noch darstellt, in Gestalt des Nicht-Zweckmässigen, Nicht-Geordneten, Nicht-Rationalen, und dieses quasi götzendienerisch im Ensemble zu integrieren. So wie in der Geschichte von Aladins Wunderlampe die freigelassene, nicht mit Juwelen übersähte Stelle im Palast letztlich über alle Schätze und Mächte der Welt triumphiert, soll die Kunst bei Mori für das stehen, was noch ausserhalb seiner Geld-Macht existiert.
Daher ist die Kunst aber auch nicht wirklich zu integrieren, oder nur wie ein gezähmtes Raubtier, und, da wo sie integriert ist, kann sie keine Kunst mehr sein.
An diesem Widerspruch könnte Mori und sein Museum letztlich scheitern.
Link: http://www.mori.art.museum
Link: http://www.multitrudi.de/tokyo2003