Frankfurt 2030 - Bericht an eine Akademie
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Ich freue mich Ihnen berichten zu dürfen, daß das Problem des künstlerischen Proletariats in Frankfurt zufriedenstellend gelöst werden konnte. Alle Künstler unterhalb der öffentlichen Aufmerksamkeitsschwelle Städel-3-13.21b Ab. 4 wurden erfolgreich nach Offenbach umgesiedelt.
Nach Auflösung der letzten Enklaven Basis und Atelierfrankfurt (zuletzt in Zuständigkeit des Bereichs Ölfarben der Vivico AG) konnte das Modell Kreuzberg-Neukölln südlich des Mains in Absprache mit der Regionalverwaltung Kreativstadt-Großoffenbach-Bürgel proaktiv-positiv implementiert werden.
Auf Anregung des zwischenzeitlich verstorbenen ehemaligen Kulturdezernenten H. Hoffmann wurde die schmerzlich vermisste Großkunsthalle Frankfurt durch das Architekturbüro Coop Irgendwo in Form eines Leuchtturms auf dem Gelände der Markthalle Montez errichtet. Der auf sie zurückgehende Kunstverein Familie Montez in die Schirn Kunstsammlung integriert.
Die anfänglich schwierige Ansiedlung weiterer Superkünstler in Frankfurt konnte durch genetisches Re-Engineering praktisch verwirklicht werden. Rehberger I, II und III erfüllen ganz und gar die an sie gesetzten Erwartungen durch das Publikum und die internationale Kritik.
Im Bereich der Institutionsfürsorge hat sich das Prinzip der Erbmonarchie als verlässlich erwiesen. Holger K. V. und Max IV. sind aus dem Kulturleben unserer Metropole nicht mehr wegzudenken. Auch Claudia III. von Wiesbaden hat sich bewährt.
Wenn ich aus heutiger Sicht auf die mißliche Lage des Jahres 2010 zurückblicken darf, so muß ich feststellen, daß es niemandem ernstlich aufgefallen ist, daß keine Künstler mehr in Frankfurt leben. Die an ihre Stelle getretenen Werber und Kreativgestalter haben umstandslos ihren Platz eingenommen und bezahlen klaglos unsere marktgerechten Mieten.
Die auf Felix von Kassel zurückgehende Entscheidung niemand in Frankfurt auszustellen, der nicht wenigstens in Berlin lebt, war nach meiner Auffassung weise und wegweisend zugleich. Die Stadt wurde langfristig vor zerstörerischer Selbstidentität bewahrt. Als Beispiel erfolgreicher Xeno-Kultur hat sie sich damit an die Spitze aller Metropolen in Europa gestellt.
Der Ausflug nach Offenbach, wo die Restkünstler leben, hat sich zum beliebten Freizeitvergnügen saturierter Frankfurter entwickelt, die vor der Stadt geniessen, was ihnen zuhause nicht mehr zuzumuten ist. Echtes Leben in echter Armut nämlich.
Lassen Sie mich endlich festhalten, daß wir erreicht haben, was wir erreichen wollten. Diese Kenntnis zu verbreiten, war der Mühe wert.