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Jahrmarktgeschrei

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Es ist ein aufmerksamkeitsheischendes Jahrmarktsgeschrei, was vom Modernen Museum für Kunst und Profilierungsaspekte vernommen wird. So groß die Einladungen, so degeneriert der sprachliche Popanz, der auf ihren Titelseiten vorangetragen wird.

Er nimmt uns die Lust, mit Lust zu kommen, der Kittelmannische Geist; vorbei ists mit der eleganten, wenn auch arroganten Zurückhaltung, mit der uns Jean-Christophe zu bedachten pflegte. Jedoch ist auch das hyperphallische, kommunikative Agieren ein Kind der Null-Nummer an Jahren. Die heterophobe Dezenz ist vobei, jetzt wird es gelb, gelber, am gelbsten. Nein, da sitzen Menschen rum? Das wurde mir erzählt; auch von der Spül-Installation war zu erfahren, beim Autofahren – es ist nicht wirklich Sinn der Sache, der Mache einen Besuch ab! zustatten. Das kann ich auch, sprach das Kind vorm Alten Wilden. Das kann ich – mir – auch – vorstellen, denkt sich der dem Kindesalter entwachsene, Erwachsene. Wozu da noch ins Museum gehn, wenn's im Grünen doch mehr schön?

Die wahre Kunst betrifft uns schon im Kleinen. Poster-art für 55 Eurocent. El Lissitzky, jetzt in Echt: für 1 Euro 44. Mit Erfindung des praktischen Zwischennetzes ohne doppelte Bodenständigkeit ist die Kunst aus dem musealen Rahmen gefallen. Das Archiv ist überall und von jedem unentgeltlich zu besichtigen, und wird so ja doch wieder in die Heiligen Hallen zurückgetragen: mp3s im Museum für Angewandte Kunst [nicht Wien: nein, Frankfurt!], liebedottkomm ins staubgesaugt-moderne Postmuseum für institutionalisierte Kommunikation – aber immerhin.

Ich geh da nicht mehr hin. Es gibt nicht mal ein schönes Café, das sich losgelösst vom Kunstbefliss besuchen lässt. Die Lust am Engagement schwindet. Haben wir uns einen Gefallen getan mit der Berufung des Optikerlehrlings in jenes Prisma, das angestammte Wahrnehmungen brechen lehren sollte?

Jeder ist ein Künstler, doch was bleibt, zu kuratieren?

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Ein Kommentar

Re: Jahrmarktgeschrei

Jahrmarktgeschrei - 22. May 2003 - 21:26

Was bleibt zu kuratieren?

Abriss des Portikus z.B........

Am MMK lässt sich so eine Tendenz ablesen, die das Ausstellungsgewerbe insgesamt trifft. Das Museum hat sich in seiner Geschichte eine Distanz zu Dingen geschaffen, die Boris Groys etwa so beschreibt:

"Die Archive, die Museen sind die Vergleichsräume, in denen eine andere Neutralität, eine andere Homogenität herrschen – eine Neutralität und eine Homogenität der Unsterblichkeit. "

Das trifft auch auf ihr Personal zu, das sich in seiner Funktion von den Objekten die es betreut entfernt aufhält. Direktor und Kuratoren stellen die Werke aus, können und wollen aber selbst keine Künstler sein.

Nun hat sich aber seit den 60ern in den "heiligen Hallen" eine Kunst eingeschlichen, die Teilnahme ist und nach Teilnahme ruft. Ihr gegenüber kann das Personal immer weniger neutral agieren. Selbst wenn der malende Direktor noch immer recht peinlich wirken würde, gibt es neue Möglichkeiten der Einflussnahme und Beteiligung. Unter diesem Aspekt ist auch die gegenwärtige Ausstellung im MMK zu sehn. "Kuratieren ist doch auch Kunst" ruft es uns an allen Ecken zu. Und wenn man z.b. die Entwicklung eines Schafhausens ansieht, Künstler, Galerist, Kurator, so ist die Richtung deutlich.

Das Tabu ist verletzt. Heimlich, aber noch nicht zu offensichtlich, darf jetzt der Direktor mitkünstlern. Ja, denn der Künstler kuratiert plötzlich. Warum denn nicht umgekehrt?

 

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