Warum sollten Künstler in Frankfurt bleiben? 1
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In Frankfurt ist derzeit Kommunalwahlkampf (2006). Ein Anlaß sich mit der Frankfurter Kulturpolitik zu beschäftigen. Und dabei den Politikern ein wenig auf den Zahn zu fühlen.
Zuerst einige Grundüberlegungen...
Vor fünf Jahren schon habe ich bei multi.trudi eine Studie [1] zum Abgang Frankfurter Kulturschaffender nach Berlin angestellt. Der Trend hat sich seitdem forgesetzt. Mir scheint, es ginge unter den hiesigen Künstlern nicht mehr darum, ob man nach Berlin gehen sollte, sondern nur noch wann.
Wer hier von der Städelschule abgeht, mags vielleicht noch ein, zwei Jahre versuchen, aber dann gehts Richtung Hauptstadt. Die Gründe mögen vielfältig und subjektiv sein. Günstigere Mieten für Wohn- und Gewerberäume. Ein vielfältigeres kulturelles Umfeld. Mehr Gallerien und Ausstellungsmöglichkeiten.
Frankfurt kann da nicht mithalten. Daher sollte sich die Stadt überlegen, welche Anreize Künstler bewegen könnten, auf längere Zeit hier zu bleiben.
Braucht eine Stadt überhaupt Künstler, die vor Ort arbeiten? Wäre nicht ein Modell "Alte Oper" denkbar? Ein Veranstalter, der kein eigenes Ensemble besitzt, sondern alles importiert.
In der Tat sind weder die hiesigen Institutionen noch Galerien von lokalen Künstlern abhängig. Globalisierung auch im Kunstbetrieb sorgt für wohlfeilen Nachschub.
Worin läge das Spezifische einer lokalen Kunstszene? Nehmen wir Goethe als Beispiel. Daß er von seinen 83 Jahren die ersten 26 in Frankfurt verbrachte, dürfte noch heute für die Stadt eine erträgliche Einnahmequelle bedeuten.
Ist ein Modell "Goethe" noch denkbar? Vorstellbar, daß in 200 Jahren Touristen wegen Bayrle oder Rehberger nach Frankfurt kämen? Wenn Künstler beliebig eingeflogen werden können, käme es dann letztlich nur noch auf die Pressewirksamkeit eines temporären Events an?
So fordert der Gutachter Stölzl in seiner Untersuchung der Region Rhein-Main nachdrücklich "enzyklopädische Großausstellungen". Nur sie könnten der Region kulturelles Gewicht verschaffen. Das ist auch Modell "Alte Oper". Die Ausstellungen fliegen um die Welt. Die Besucher hinterher?
Rembrandt, Chagall, Picasso. Frankfurt, New York, Paris. Erinnert mich an einen Galeristen, der meinte seine Galerie wäre am Besten am Flughafen angesiedelt. Es wäre überflüssig, seinen Kunden den Weg nach Frankfurt Innenstadt zuzumuten.
Wir wären vielleicht alle besser am Flughafen situiert.
Modell "Flughafen" bedeutet Kultur als gigantisches Tauschobjekt. Eben aus-tauschbar. Gibt es dagegen noch etwas spezifisch inkommensurables, nicht austauschbares? Einen attraktiven Rest? Oder ist der Rest nur Abfall und Müll?
Das will ich die Politiker fragen.
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[1] Studio Berlin http://www.multitrudi.de/studio-berlin/