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Gründen Sie mal ein Institut für Sozialforschung

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Nun war ich am Donnerstag, den 15.3.2007, zum dritten Mal beim Frankfurter Kulturausschuß. Die Sitzung fand ausnahmsweise in den Räumen des Instituts für Sozialforschung statt.

Vor Beginn der eigentlichen Tagesordnung gab der Leiter des Instituts, Prof. Axel Honneth, eine kleine Einführung zu Idee und Geschichte dieser Einrichtung.

Bemerkenswert an der Geschichte des Instituts schien mir die Kette von glücklichen Zufällen, die jedesmal seinen Fortbestand sicherten. Die Flucht vor den Nazis, die Transferierung des Stiftungskapitals nach New York, die Rückkehr nach Frankfurt 1951, verbunden mit langfristiger Förderung durch die Stadt Frankfurt und dem Land Hessen, sowie die Fortführung der Geschäfte nach Ableben der Gründungsdirektoren Horkheimer und Adorno.

Wenn Prof. Honneth abschließend für die Gegenwart einige Zweifel am Fortbestand des Instituts äußerte, so glaubte wohl der Kulturdezernent, Prof. Felix Semmelroth, - ganz gönnerhaft - auf die langfristige Verpflichtung der Stadt Frankfurt gegenüber dem Haus hinweisen zu müssen. Sie beliefe sich auf 250.000 Euro im Jahr.

Wäre ich der Leiter des Instituts für Sozialforschung, so hätte ich meine Zweifel an dem Versprechen der Stadt.

Ich stellte es mir als ein hinreißendes soziales Experiment vor, träte in heutiger Zeit jemand an die Stadt Frankfurt mit der Absicht heran, ein Institut für Sozialforschung zu gründen.

Dann würde er sich vielleicht von einem Vertreter der CDU anhören müssen, man würde doch eher nur noch projektweise fördern. Was soviel heisst, wie, jedes Jahr neu beantragen, mit unsicherem Ausgang.

Und überhaupt, wenn man ihn fördere, könnten ja andere auch kommen und fordern. Nicht wahr?

Die Grünen würden noch hinzufügen, sie hätten alles sorgfältig geprüft, sähen aber keine Möglichkeit....

Das ist nicht erfunden, das ereignete sich so, in einem anderen Fall, auf der 8. Sitzung des Frankfurter Kulturausschusses am 15.2.2007.

Fazit: Mit der Methodenstrenge in der Kulturpolitik siehts erbärmlich aus. Während in der Medizin etwa randomisierte Doppelblindstudien zum Einsatz kommen, bevor ein neues Medikament zugelassen wird, meint die Kulturpolitik auf jegliche Überprüfung ihrer Maßnahmen verzichten zu können. Dabei geht es um ein außerordentlich wertvolles Gut, die Sensibilität gegenüber Neuem, Ungewohntem und Andersartigem.

Natürlich glaubt jede/r, einschliesslich dem Kulturdezernenten, er oder sie habe diese Sensibilität schon mit der Muttermilch ausgesogen, und müsste ob ihrer keinen Eid mehr leisten.

Diese Arroganz geht noch auf die Zeit des Buchdrucks zurück, in der der Author klüger gedacht wurde, als seine Leser. Für das Internet gilt genau das Gegenteil, wie Wikipedia beweist.

Die Kulturpolitik tät gut daran, entsprechende Methoden zur Evaluierung von Sensibilitäten zu entwickeln.

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