Textparade, Pisa Studie, I AM A MAN
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Die folgende Untersuchung bezieht sich allein auf den Text der Einladung zu dem Event: I AM A MAN. Parade von Arto Lindsay und Studierenden der Städelschule. Nicht auf das Ereignis selbst.
Er soll mir zum Anlass dienen, mich zum Schreiben über gegenwärtige Kunst zu äussern.
Es ist der erste Absatz, der mich beschäftigt:
"Der Titel der Parade stammte von Schildern, die während einer von Dr. Martin Luther King angeführten Demonstration getragen wurden. Anlaß war damals in den 60ern ein Streik der Müllabfuhr von Memphis. Die Parade wird aus verschiedenen Gruppen bestehen, die sich, -mehr oder weniger abstrakt-, auf den Begriff des Körpers beziehen, der gleichzeitig befreit von und im Konflikt ist mit den Neuerungen, die ihn heimsuchen."
Martin Luther King, schön, ein bedeutender Mensch mit einem berechtigten Anliegen. Aber wieso nimmt die Parade von Arto Lindsay gerade auf ihn und seine letzte Demonstration in Memphis Bezug?
Die vier Worte "I am a man" waren damals eine Provokation. Denn sie wurden von Schwarzen vorgetragen, die sich diskriminiert und ausgegrenzt sahen. Was bedeuten sie heute? Hier in Frankfurt, für die Teilnehmer und Zuschauer der Parade?
Dazu sagt der Text nichts.
Im folgenden steht etwas vom Bezug auf den "Begriff des Körpers". Dieser sei "mehr oder weniger abstrakt". Gibt es dazu nicht mehr und konkreteres zu sagen? Auch im Rahmen eines Pressetexts. Wenn einem nichts einfällt, ist es naheliegend es "abstrakt" zu nennen.
Ohne weiteren Zusammenhang auch der Hinweis auf Heidegger und die deutsche Sprache. Da wäre viel zu zu sagen. Endlich, es bleibt offen und ungeklärt.
Dagegen offeriert schon eine durchschnittliche Frankfurter Nachttanzdemo eine Fülle von Anliegen und Bezügen.
Damit könnte ich es belassen, wenn mir bei dem Text nicht die diffuse Ahnung aufkäme, er wäre typisch für die Kunst. Zumindestens bewahrenswert zu einer späteren ausführlicheren Exegese. Ist das 2008?
Gibt es überhaupt noch Themen in der Kunst, irgendein Anliegen? Nun, es wäre nicht unbedingt schlimm, wenn dem nicht so wäre. Dann wäre es aber auch ehrlich, das zu sagen, anstatt diese Art von Rechtschreibschwäche zu pfegen.
Wollte ich einen Maßstab anlegen, so griffe ich zu dem von Malcom McLaren, - ist es sexy, stylish und subversive? Nun mag die Parade sexy und stylish sein, keinesfalls aber subversiv. Ganz im Gegensatz zu der Aktion von Martin Luther King, auf die sie sich grundlos bezieht.
Bis zum Beweis des Gegenteils meine ich, daß es derzeit in der Kunst keine andere Subversion geben kann, als eine, die sich gegen den Kunstbetrieb und seine Protagonisten richtet. Also gegen Kritiker, Kuratoren, Galeristen, Museumsleute samt ihrem Fußvolk und den Kulturpolitikern.
Wie Braan, Büttner und andere Störer allerdings ganz richtig gesehen haben ist die Idee und Institution von The Thing damit keineswegs sakrosankt. Auch ihr ist mit Vorsicht und Skepsis zu begegnen.
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Herzliche Einladung zu den Veranstaltungen der Städelschule!
I AM A MAN
Parade von Arto Lindsay und Studierenden der Städelschule
Samstag, 19. April 2008, 15 Uhr, Portikus
(vom Portikus über die Alte Brücke, durch die Fahrgasse zum MMK; Straßenfest ab 18 Uhr vor dem MMK)
Der Titel der Parade stammte von Schildern, die während einer von Dr. Martin Luther King angeführten Demonstration getragen wurden. Anlaß war damals in den 60ern ein Streik der Müllabfuhr von Memphis. Die Parade wird aus verschiedenen Gruppen bestehen, die sich, -mehr oder weniger abstrakt-, auf den Begriff des Körpers beziehen, der gleichzeitig befreit von und im Konflikt ist mit den Neuerungen, die ihn heimsuchen.
Die Marschierenden setzen sich unter anderem aus einem Spielmannszug, einer lokalen Parade-Band und einer Meute von Roboterhunden mit Lautsprechern (die erst neulich eingestellten Sony Aibos) zusammen. Unter den weiteren Gruppen wird es eine kleine Ansammlung von Philosophen geben, die eine Debatte zu Thema der sprachlichen Spezifik in der Philosophie weiterführen, die durch die bekannte Bemerkung Heideggers initiiert wurde, dass unter allen modernen Sprachen nur die deutsche Sprache angemessen wäre für die Philosophie. Einige Bonsais und Cheerleader tragen zur allgemeinen Heterogenität bei.
Die Parade präsentiert auch den zeitgenössichen Tänzer Richard Siegal, bis vor kurzem Ensemblemitglied der Forsythe Company, Marivaldo Paim, Meisterpercussionist von der Ilê Aiyê in Bahia und Nico Vascellari, ein junger italienischer Hard-Core-Punk-Musiker und Künstler.
Arto Lindsay ist ein amerikanischer Musiker und Künstler, der in Salvador, Brasilen lebt und arbeitet. Beginn seiner Performancetätigkeit war in den späten 70ern in New York mit seiner Band DNA. Lindsay arbeitete bereits zuvor mit Bildenden Künstlern zusammen, wie zum Beispiel Vito Acconci, Dominique Gonzalez-Foerster und, auf einem Karnevalsumzug in Bahia, mit Matthew Barney.