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Warum gibts eigentlich WikiLeaks?

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Der nachfolgende Text dokumentiert einige Stimmen zur Rechtfertigung von WikiLeaks. Darin entwickeln sich einige Grundprobleme ethischen Handelns.

Wer ist berechtigt die Wahrheit zu sprechen? In wessen Namen? Können gute Folgen fragwürdige Handlungen rechtfertigen? Gibt es eine Art Notstand, dessen Behebung im Nachhinein Gut zu heissen ist und folgenlos bleiben kann?

Ausgangspunkt war die folgende Überlegung:

Das Erstaunliche an Wikileaks ist doch, daß es überhaupt existiert. Ich dachte bisher, die Behandlung von Geheimnissen läge im Verantwortungsbereich von Parlamenten. Zumindestens in der westlichen Welt.

Darauf antwortete in Facebook:

Brent-Yves Debecker: Ist das ironisch gemeint?
Ich hoffe doch, seit wann geben Parlamente als rein repräsentative, pseudo-demokratische Basis Strukturen, die alle Entscheidungen in der Regel hinter verschlossenen Türen treffen, in Ausgrenzung der davon zumeist ...betroffenen Öffentlichkeiten, irgendetwas bekannt und versuchen ihre Entscheidungen transparent zu halten?
December 9 at 5:13pm

Thing Frankfurt: @Brent. Keineswegs. Eigentlich sollten doch Parlamente Instrumente der Transparenz sein. So verstehe ich sie doch. Aber ausgerechnet ein selbst instransparentes Unternehmen wie Wikileaks erinnert uns daran, daß sie es nicht sind.
December 9 at 5:40pm

Brent-Yves Debecker: Hey sorry, aber mit Verlaub, das war und ist bisher nicht de Fall zumindest nicht in einer parlamentarischen, rein repräsentativen, an Parteien ausgerichteten, hierarchisch strukturierten (Geld-) Schein- Demokratie, .. einer: "autoritären FORMAL Demokratie mit plebiszitärer Billigung", wenn wir mal direkte Demokratie haben oder Basis-Demokratie mit einer entsprechenden Mitsprachemöglichkeit (und Abwahlmöglichkeiten, etc,) auf allen Ebenen vielleicht, aber sonst?
December 9 at 5:51pm

Thing Frankfurt: @Brent. Versteh schon, was Du meinst. Ich finde es nur bedenklich, daß dieses Defizit von einer Institution ausgeglichen werden soll, die selbst über keinerlei Mandat verfügt. Schon Kant meinte, daß auch der größtmögliche Nutzen keine fragwürdigen Methoden rechtfertigt.
December 9 at 7:20pm

Brent-Yves Debecker: @ Mr Beck , oh ja und warum, was ist daran falsch? diese Institution ist doch wikileaks oder verstehe ich das falsch, sie ist also eine halbe ausserpalamentarische real Opposition, oder ? Die trägt doch nur zur auch milden Aufdeckung bei, was an "Geschäften" und Schiebereien in Regierunskreisen(diesem parallel Universum) abläuft und hilft darüber aufzuklären oder verstehe ich das falsch? Oder hältst du nichts von derartigen , ähm, Umtrieben,..?
December 9 at 8:17pm

Thing Frankfurt: @Brent - Schon aus der blossen Möglichkeit heraus, daß durch die Veröffentlichungen doch Menschen in Gefahr kommen könnten, muß die Möglichkeit bestehen, Wikileaks zur Verantwortung zu ziehen. Solange das nicht gegeben ist, haftet der Sache ein Makel an.
December 10 at 7:52pm

Brent-Yves Debecker: Hallo hört hier irgendwo der Verfassungschutz mit oder IaRD? Ist denn die Gefahr (wenn es solche gibt) wirklich so groß und wer beschädigt den Menschen mehr, ein repressiver, brutaler Staat der seine Bürger unterwandert und ungefragt zur M...itarbeit an einem Wirtschaftskonstrukt nötigt und da hineinzwingt, aus dem kaum eine Möglichkeit offen bleibt, als freier Mensch zu entweichen?

Ist denn eine zermalmender repressivr Staat nicht das viel größere Übel als solche Schäden auch daran, derer, die es aufdecken in Aufklärung arbeiten und es enthüllen und menschlichr gestalten wollen? Fahren wir den keine Autombile mehr, was ebenso und dringend rnötig wäre weil jährlich 1 Mio Menschen auf der ganzen Welt darin umkommen? Ist es nicht wichtig für die Freiheit zu kämpfen und äussere Strukturen anzutasten, und darin immer noch hundert mal sauberer zu arbeiten, als staatlich-behördliche Unterdrückung, Zwangsausübung und Anpassung? Ist nicht jedes sich wehren auch "Gewalt" und übt Zwang auf den aus, der uns unterdrückt und daher Gegenwehr und Opposition nicht mehr zulässigt ? Hast du schon mal etwas von repressiver Toleranz gehört?
December 10 at 10:48pm

Thing Frankfurt: @Brent - Unrecht kann nicht mit Unrecht vergolten werden. Nochmals: ich habe nichts gegen Wikileaks. Ich meine nur, daß das Prinzip schnellstmöglich auf demokratische Füße gestellt werden sollte.
December 11 at 3:01pm · Like

Brent-Yves Debecker: Demokratische Füße in einer Gesellschaft, die nur eine repräsentaive Demokratie anbietet? Dazu müsste erst Basis-Demokratie erzeugt und möglich werden, von unten, und so weit sind wir noch nicht ganz, aber dazu kann eine solche, maßvolle Au...fklärung wie WikiLS durchaus beitragen, im Weg dahin?
Kümmerst du dich um die Tiere, die täglich geschlachtet werden, um dir dein Essen in Teilen davon, auf den Tisch zu bringen, sei bitte nicht funny,´wenn du aktiv werden willst, kannst es auch jeden Tag versuchen, (machst du ja ) oder ist eine Art von Leben mehr wert als die andere?
December 11 at 3:50pm


Auf ähnliche Weise argumentiert ein Autor, der mir eine private Mail schrieb:

"Glaubst Du wirklich, das in einem demokratischen Prozess tatsächlich die Veränderungen in unseren Systemen erreicht werden, die notwendig wären? Na dann viel Spaß beim Warten auf das Christkind. Also wirklich, da musst Du jetzt nicht beleidigt sein.
Und wer noch weiss wie die Bush-Administration den Krieg in moslemischen Ländern vorangetrieben hat mit allen faulen Tricks und bewussten Lügen und vieles, vieles mehr der muss doch bitte einsehen, dass es sehr viel Sinn macht solchen Leuten keinen Einblick in eigene Strukturen zu geben - so wie es Wikileaks eben macht."

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Als Destilat lassen sich vielleicht folgende Muster zur Rechtfertigung von WikiLeaks erkennen:

1) Es existiert die Wahrnehmung und Einschätzung von schlechtem Verhalten einer Seite. Hier die USA, die mit ihrem "War on terror" erst den Anlaß für die umfassendste Geheimhaltung gegeben haben. Laut Auskunft des Time Magazines hat sich die Anzahl geheimer Dokumente in den USA seit 1996 auf 50 Mio. verzehntfacht! 75% davon werden durch das Militär produziert.

2) Institutionen und Personen (Parlamente, Politiker, Abgeordnete), die qua Gesetz zur Kontrolle und Behebung von Mißständen eingesetzt sind, werden als unfähig, inkompetent und korrupt eingeschätzt. Von ihrer Seite wird keine Hilfe erwartet.

3) Weil keine Abhilfe in Sicht ist, wird eine Art Notstand konstatiert, der das Recht auf Selbsthilfe vorgibt.

4) Als Agent dieser Selbsthilfe wird WikiLeaks und ihr Frontmann Julian Assange gesehen, der gegen das Böse eigenmächtig, aber im (heimlichen) Sinne aller vorgeht.

5) Weil die Handlungen von Assage insgesamt als gut, und die der anderen als schlecht bewertet werden, spielen Fragen nach der Berechtigung zum guten Handeln keine Rolle mehr.

Damit sind Wikileaks und Julian Assange in der Öffentlichkeit zu einer Art modernem Robin Hood geworden, der den Armen in eigener Gerechtigkeit gibt, was er den Reichen genommen hat.

Die Fragwürdigkeit dieser Position ist evident. Warum erfreut sie sich solcher Zustimmung?

Indem WikiLeaks Transparenz in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten stellt, trifft es einen neuralgischen Punkt unserer Zeit. Obwohl sich jeder besser und umfassender informieren kann denn je (in der westlichen Welt), besteht der Eindruck keinen Überblick mehr zu haben, von wichtigen Entscheidungen ausgenommen zu sein, kein Gehör mehr zu finden, übergangen und annulliert zu werden. Wir hatten das neulich erst bei Stuttgart21.

Aus diesem Gefühl der Ohnmacht heraus erscheint WikiLeaks positiv und unterstützenswert, weil es den Menschen zurückgibt, was sie schmerzlich vermissen, - persönliche Autonomie.

Für die Politik eigentlich ein verheerendes Signal. Es bedeutet nichts anderes als: Wir glauben Euch nicht mehr!

Selbst, wenn jetzt WikiLeaks zum Schweigen gebracht würde, besteht Handlungsbedarf für die Zukunft. Denn das Prinzip Enthüllungsplattform ist nicht mehr aufzuhalten.

Es gilt daher Regeln aufzustellen, nach denen solche Plattformen transparent und demokratisch betrieben werden können. Wie richtig bemerkt wurde, setzt WikiLeaks die Souveränität des Nationalstaates außer Kraft. Eine Lösung kann daher nur auf transnationaler Ebene erreicht werden.

WikiLeaks müsste wenigstens als eine globale NGO funktionieren, besser noch als eine Behörde der Vereinten Nationen. Vorbild könnte der Internationale Strafgerichtshof sein.

Das mag nicht allen gefallen, aber kann es dem Herrn Assange und seinen Mitstreitern überlassen bleiben, welche Geheimnisse sie uns enthüllen?

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3 Kommentare

Re: Warum gibts eigentlich WikiLeaks?

Warum gibts eigentlich WikiLeaks? - 18. December 2010 - 19:40

Wikileaks gibt es, weil seit Jahrzehnten das Vertrauen in Politik sinkt.
Der Durchschnittsbürger bewertet Politiker als absolut unglaubwürdig und traut diesen nicht zu die Probleme zu lösen.

AUFGABE VON POLITIK:
Politiker sind offiziell die Vertreter der Bürger und sollen an deren Stelle Probleme diskutieren und Lösungen ersinnen und müssten diese Diskussion und die Ergebnisse dann ihren Wählern vermitteln.
Gefühlt passiert genau das aber nicht. Politiker haben es aufgegeben die vielfältigen Probleme, die ja nicht ihre persönlichen bzw. ureigenen Probleme sind, ernsthaft so zu diskutieren, dass eine Lösung im Sinne aller zustandekommt.
Statt dessen wird es so wahrgenommen, dass die meisten Politiker entweder in ihre eigene Tasche oder in die ihrer Klientel wirtschaften, weil das mehr Bestätigung verspricht. Einer solchen Politik vertraut man nicht.

FAKTEN:
Wenn man aber Optimist ist und den Politikern die besten Absichten unterstellt, dann wundert man sich doch, warum die Großen Themen (Rentenreform, Steuerreform, Gesundheitsreform, Finanzmarktreform, usw..) seit Jahrzehnten nicht angegangen werden, obwohl die Politiker doch ständig davon erzählen, dass sie genau das tun wollen.
Dazu kommt, dass der Staat immer mehr Schulden macht und allen Versprechungen zum Trotz werden es jedesmal mehr Schulden. Und mit finanziellen Zwängen wird begründet das dieses oder jenes nicht möglich sei.
Schaut man aber mal auf seine Steuererklärung, dann geht arbeitet man 20-40% oder mehr des Jahres nur für den Staat. Hinzu kommt noch die Mehrwertssteuer und viele indirekte Steuern die in Preise sonst noch so eingerechnet sind. Insgesamt arbeitet man also vielleicht sogar die Hälfte des Jahres nur für den Staat und die Krankenversicherung wird auch immer teurer.

Was ergibt sich nun daraus?
Aus diesem schon seit vielen Jahren bestehendem inneren Widerspruch fängt das Vertrauen an zu bröckeln und die Menschen wollen nicht mehr nur die Worte einerseits hören und die Taten andererseits sehen die nicht zusammenpassen, sondern sie wollen ENDLICH die Gründe dafür verstehen damit es vorangehen kann.

Deshalb wird Transparenz gefordert und Transparenz ist auf dem Vormarsch. Gleichzeitig steigen aber nun die Geheimnistuerei. Das ist die einzige Möglichkeit, die es gibt bestimmte Tatsachen eben doch zu verstecken.

Genausowenig wie es vielleicht gerechtfertigt ist das ein Staat eine SteuersünderCD für eine gute Sache kauft, so wenig ist es gerechtfertigt, dass Wikileaks Daten veröffentlicht die als geheim klassifiziert und wohl gestohlen sind.

Allerdings: BISHER WURDE IN KEINEM FALL EINE KONKRETE, REALE GEFAHR beschrieben die sich realisiert hätte aufgrund der Veröffentlichungen von Wikileaks.
Eine "staatliche Institution" die wie auch immer indirekt legitimiert den Job von Wikileaks übernehmen würde könnte es längst geben. Es hindert doch niemand die Regierenden daran eine solche zu schaffen und es wird seien Gründe geben warum so eine Stelle eben gerade nicht existiert.

PRESSEFREIHEIT bzw. eine INFORMATIVE als vierte Gewalt sollte im Idealfall der Exekutiven, der Legislativen und der Judikativen zur Seite gestellt werden.
Reporter dürfen genau deshalb Informanten schützen um brisante Informationen ans Tageslicht zu bringen die sonst unter Verschluss bleiben würden.

Meine Argumentation kann sicher noch präziser und kürzer auf den Punkt gebracht werden, aber ich hoffe Sie verstehen warum Wikileaks im Grunde eine Gute Sache ist.
Es ist im Grunde nicht der Job des Reporters dafür zu sorgen Menschen nicht in Gefahr zu bringen, sondern es ist der Job desjenigen der heimlich und unmoralisch gehandelt hat. Einzige und wirklich EINZIGE Ausnahme hiervon sind aktuelle Operationen (polizeilich, geheimdienstlich, militärisch) die gerade aktuell durchgeführt werden und die Operationen an sich gefährden könnten. Darüber hinaus lässt sich sowas aber nur schwer konstruieren.

Re: Warum gibts eigentlich WikiLeaks?

Warum gibts eigentlich WikiLeaks? - 20. December 2010 - 20:15

Herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag.

Ich glaube, wir sind weitgehend einer Meinung. Ich habe gar nicht angezweifelt, daß es sich bei Wikileaks um eine gute Sache handelt. Allerdings bin ich nach wie vor der Meinung, Wikileaks gehört demokratisch kontrolliert.

Wenn ich nochmals auf die Gefährdung Dritter kommen darf, so ist mir durch Deinen Beitrag klar geworden, daß auch ein Artikel in der NY Times Informanten oder Unbeteiligte gefährden kann. Das muß ein Journalist durchaus in Kauf nehmen.

Anders als Wikileaks hat die NY Times aber eine ladungsfähige Anschrift und muß sich notfalls vor Gericht verantworten.

Es kann kein Argument dagegen sein, daß jemand Wikileaks Böses will. Solange sich das Gericht in einem Land mit rechtstaatlichen Prinzipien und Geltungen befindet, muß auch eine Anklage grundsätzlich möglich sein. Ebenso natürlich die Möglichkeit sich auf gerichtlichem Wege der Anklage zu entziehen.

Grüsse
Stefan

Re: Warum gibts eigentlich WikiLeaks?

Warum gibts eigentlich WikiLeaks? - 03. January 2011 - 06:28

private mails öffentlich zu machen (wenn auch anonymisiert) ist doch ein ähnlicher mechanismus wie bei wl.

 

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Permalink: http://blog.thing-frankfurt.de/artikel350.html

Im Kontext von Thing Book 2004 auch: ›http://www.cms.thing-net.de/artikel350.html‹ (veraltet).


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