Passagenwerke (im Frankfurter Nachtleben)
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Temporäre Räume sind ein Markenzeichen Frankfurter Kunst/Club Kultur. Wenn man nicht hingeht, kann es leicht passieren, daß es das letzte Mal war. Das geht offensichtlich auch den Veranstaltern in Sorge um ihre Gäste so, denn aus der Post fischte ich eine Postkarte von pony auf der handschriftlich vermerkt war: Komm doch mal....... Also ging ich letzten Samstag zum einmaligen Abend von 212 (www.no212.com), quasi als Vorspeise.
Daß Studenten aus Offenbach ein Magazin herausgeben ist nicht besonders aufregend. Das gehört eher zur Grundbedingung des Studiums. Infolgedessen bot die Magazinpräsentation auch keine größeren Überraschungen, nette Zeichnungen und Kritzeleinen, fernab jeder Inhaltsschwere. Weswegen ich dann mich dem hingab, was alle anderen auch taten, rumhängen. Das geht zum Glück in einem arosa/saasfee Kontext besonders gut. Der Kuschelfaktor ist hier gleich im Preis inbegriffen.
Weniger kuschelig gings dann im Lola Montez zu, das mir zu meiner gedachten Hauptmahlzeit keine rechte Kost bot. Zum einen hatten sie im Keller die Holzbänke entfernt, die bei weniger Andrang immerhin Aussicht auf das Barpersonal boten, zum andern war im sogenannten Ausstellungsraum von Kunst nicht mehr zu sehen als ein paar Poster mit der Aufschrift Fuck the war. Die wenigen Besucher konnten sich die obligatorische Frage und was soll das jetzt? gleich selbst beantworten: Alibi. Ja, ja die Spatzen pfeifen es schon von den Dächern. Man geht zu Lola Montez wegen der Party und nicht wegen der Kunst.
Wahrscheinlich hat man deswegen bei Licht, meinem auf Sonntagabend verschobenen Digestiv, dann gleich die Kunst weggelassen, was auch einigen Bekannten von mir gleich positiv auffiel: Endlich mal nichts an den Wänden auch keine installation Ja, in Frankfurt schreibt installation jetzt schon mit Anführungsstrichen. Wahrscheinlich, weil inflation, mit der sie ja in nicht näher zu ergründendem Zusammenhang verwandt ist, auch so geschrieben wird.
Ansonsten war der Raum, der von bekannten Doppelgängerinnen betrieben wird, von ausgezeichneter Kargheit. Die Beleuchtung kam durch die raumumspannenden Fenster von etlichen Straßenlaternen. Wahrscheinlich heissts auch deshalb Licht. Die an einigen sparsamen Holztischen sitzenden Personen, schweigend ins Gespräch vertieft, vermittelten den Eindruck sich unter Deck der vierten Klasse eines Atlantikdampfers zu befinden. Man ist quasi auf einer unbestimmten Passage begriffen. Vielleicht noch drei Tage bis New York. Die Musikbegleitung dehnte sich ins infinitesimale aus.
Folgerichtig ist es in der Tat die Kunst aus solchen Räumen fortzulassen, wenn es sich eh nur um Deko- oder Hängeware handelt. Dazu kann man ja auch ins MMK gehen. Leider denken die Veranstalter den Kunstbegriff zu kurz, wenn sie in ihm nur das ungeliebt dekorative verstehen. Es wäre einem aktuellen Kunstverständnis angemessen, wenn man den gesamten Prozess unter künstlerischen Gesichtspunkten begriffe, nicht nur das, was gelegentlich an den Wänden hängt. Wie und warum muss Musik gespielt werden, welche Getränke biete ich an, wie gehe ich mit dem Publikum um, wie kann ein Abend als Skulptur verstanden ablaufen. Um solche Parametrisierungen drücken sich die Veranstalter herum, indem sie alles einer allgemeinen Lässigkeit unterstellen, die sich darauf begrenzt, nur niemand zu beunruhigen.
In diesem Verständnis sind sie, um hier einen Begriff der ästhetischen Mottenkiste zu bemühen, naive Künstler, nicht darin ob sie irgendwelche Skulpturen oder Installationen hinstellen oder weglassen.
Aber das, fürchte ich, versteht da niemand.