Was aber geschieht am besten wenn Totenstille eintritt?
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Theorie und Praxis kulturellen Rauschens lassen sich nirgendwo besser untersuchen als an einem Samstag Abend im Frankfurter Nachtleben. Nehmen wir das pony zum Beispiel. Warum wird denn hier keine Musik gespielt?, maulte der Mitbewohner von Mario, Ich will jetzt Musik hören!
Tatsächlich war nicht ganz einzusehen, warum keine Musik gespielt wurde. Die sogenannte Installation alpen mythology war, wie so oft, kein Ereignis für sich, sondern nur das Drumherum, Anlass zu einer vagen und allgemeinen Kommunikation, die keinerlei Vorgaben zu erfüllen hatte. Kommunikationsumpuschelung salopp gesprochen.
Wegen der Musik bin ich dann noch in die Goldfinger Bar gefahren, die Vaccum Boys aus Amsterdam im Programm hatte, eine lose Gruppierung verschiedener Leute aus dem noise Umfeld des Amsterdamer Labels staalplaat.
Bevor ich allerdings in deren Genuss kam, mußte ich noch folgendes über mich ergehen lassen: banale Schlager (...bela bela bela Marie vergiss mich nie...) im Halbplayback, Alistair Crowleys Sexualmagie auf schwitzerdütsch, sowie einen Boykampf zwischen Jesus und Christus, ein billiger Abklatscht unerreichter Vorbilder von Monty Pythons Flying Circus. Aculturation lernte ich neulich als neues Vokabular, dessen Bedeutung mir sogleich in einem praktischen Beispiel demonstriert wurde: in Antwerpen mit einer Österreicherin, einer Französin und einem Engländer marrokanisch essen gehen und dabei noch über die kulturelle Bedeutung des Libanon für Orient und Okzident spekulieren.
Dergleichen sollte einen nicht zu trübem Kulturpessimismus verleiten. Schon zu Gartners Zeiten lautete der Schlachtruf erstklassige, zweitklassige und drittklassige Kunst, wobei es meistens bei letzterer verblieb. Der Stilmix ist heute unausweichliche und grundlegende Kulturpraxis. Eher wäre zu fragen, wie und wo er sinnstiftend einzusetzen wäre, wenn es eben nicht beim kulturellen Hintergrundrauschen scheintoter Etblissements im Bahnhofsviertel bleiben soll. Denn dort vernimmt das geschulte Ohr - ganz leise nur eine objektive Exemplifierung der These aus Walter Benjamins Einbahnstrasse, nach der das Wort, seines quasinatürlichen Asyls im Buche vetrieben, zerissen und faschiert Reklame wird.
aus REKLAME
Ingeborg Bachmann (1956)
[...]was sollen wir tun
heiter und mit musik
und denken
heiter
angesichts eines Endes
mit musik
[...]
was aber geschieht
am besten
wenn Totenstille
eintritt