Lola Montez - Paradoxien eines Off-Spaces
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Lola Montez ist von den Frankfurter Off-Spaces derjenige, der am konsequentesten Kunst und Party verbindet, wie auch trennt. Denn die Party ist im Keller, die Kunst unterm Dach. Hieran lässt sich sehr deutlich die Paradoxie eines Off-Spaces herausarbeiten. Zum einem, daß sich das Partypublikum nur am Rande für die Kunst interessiert, und ein mögliches Kunstpublikum in die Party aufgesogen zu werden droht.
Wie mir die Künstlerin vom letzten Samstag, Astrid Amadori, sagte, interessieren sich für die Kunst nur ganz am Anfang, also kurz nach der Eröffnung gegen 22:00 die Leute, während zu immer späterer Stunde die Besucher spärlicher und flüchtiger würden: ach, hier ist ja auch noch was..... Stört sie das, war meine Frage. Nein, für sie ist das schon OK, meinte sie.
Kann die Kunst an einem solchen Ort überhaupt bestehen und wahrgenommen werden? Erstmal ist der sogenannte Ausstellungsraum in denkbar schlechter Verfassung, Decke und Wände teilweise aufgerissen, voller herausragender Dübel, Haken und Nägel; an einer Stelle notdürftig mit einem Stück Papier überdeckt. Die Beleuchtung besteht nur aus einem Halogenstrahler, der neben dem Eingang in halber Höhe an der Wand befestigt ist, das Kabel deutlich mit silbernemGaffa an die Wand geklebt; und das Licht an einer Stelle gleissend hell, weiter hinten im Raum eher schon diffus.
Die Kunst im Lola Montez Ausstellungsraum variiert durchaus, hält sich aber zunächst an gängige Standards des Ausstellungswesens, also Sachen, die an der Wand hängen und eher nicht für den Raum selbst angefertigt wurden, sondern sich transportabel geben; genausogut auch woanders hängen könnten. Vielleicht sogar im MMK.
Als ich mir vorstellte, wie man anders mit dem Raum umgehen könnte, ihn in seiner Eigenart herauszustellen, ihn zum Schwingen zu bringen, wie es Stand derzeitiger Installationskunst wäre, ob von Tracey Emin, Jason Rhoades oder Jonathan Meese, so wurde mir klar, daß man ihn damit musealisieren und in Gegensatz zu dem bringen würde, was er ist, ein off-space nämlich, eben kein Museum. Es wäre also korrekt eine Kunst dort anzubringen, die den Raum ignoriert, womit man aber auf die andere Seite des Dilemmas geriete; denn dann ist die Kunst off, nicht der Raum.
Die sich damit ergebende Unvereinbarkeit zwischen Raum und Kunst erinnerte mich an ein ähnlich gelagertes Phänomen, dem ich in Wien während meiner Studienzeit Ende der 80er begenete. In einem in der Nähe des Naschmarktes gelegenem Café, - Café Theater an der Wien -, das wie so viel irgendwo in den 50ern steckengeblieben war, präsentierten zwei ältere Tanten, die ebenso in den 50ern steckengeblieben waren, dem verehrten Wiener Publikum, Debütantinnen, jungen Damen aus der Provinz, denen große Karrieren in Oper, Operette oder dem Gesangswesen verhießen wurden. Begleitet von einem Faktotum am Klavier wurden zuckrig süße Arien aus beliebten und volkstümlichen Operetten vorgetragen. Dieses Ereignis sprach sich schnell in der Szene herum, worauf das abgewetzte Mobiliar bald von Scharen von Post-Wavern und andern Moden, die damals so üblich waren, besetzt war, die das angestammte Publikum nach und nach verdrängten. Die hochpeinliche Vorstellung junger Talente wurde als kuriose Zirkusvorstellung wahrgenommen und goutiert; hinter vorgehaltener Hand wurde gelacht und geproustet. Alles war von einem lächerlichen Ernst, oder einer ernsten Heiterkeit, die sich aber in keinster Weise vermittelte. Die alten Damen fuhren unbeeindruckt von der Veränderung ihres Publikums fort, ihre Debütantinnen anzupreisen, während zwei dutzend Lederjacken zum dem applaudierten, was sie gut fanden aber nicht wirklich meinten. Für sie war es echt scheisse, aber darin eben gut. Es wäre nie möglich gewesen, den Betreiberinnen des Cafés die Metaebene deutlich zu machen, auf der ihre Show plötzlich genossen wurde.
In dieser Weise kommen Kunst und Party im Lola Montez auch nie zusammen. Die Kunst ist keineswegs die Sahnehaube auf der Party, und diese wiederum nicht after work. Sie ist eine Verfehlung, der das Ziel abhanden gekommen ist, dessen sie als ein Fehler gelten könnte. Wäre das aber den KünstlerInnen bewusst würde sie vielleicht dort nicht ausstellen. Was schade wäre.