lokale praxis II
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Larmoyanter Dialog zweier altruistischer "Szene"-Veranstalter, erstveröffentlicht auf der Mailingliste Thing-Frankfurt, der sich wie immer ums immer gleiche Thema dreht: Was ist gut, was ist schlecht. Mir ist schlecht. Ich bin schlecht!
> Von: f.malzacher@t-...
...
> gemeinschaftspraxis ist ein projekt, das bislang im minus steht (wie
> übrigens bisher ALLE unfriendly-takeover-projekte. wenn du willst, kannst du
> gern mal auf einen kaffee kommen und die buchhaltung prüfen.
Es liegt mir fern, eine Buchprüfung durchführen zu wollen, jedoch stellt sich hier [wieder] die Diskrepanz zwischen jenen sich tragenden Veranstaltungskonzepten und deren altruistischem, defizitären Gegenstück. Euer Veranstaltungskonzept ist gut, weil es da ist, doch der "Fehler" liegt nicht in einer instabilen pekunären Decke, von der Du auszugehen scheinst, sondern im System. Auf betriebswirtschaftlicher Seite ist gut, was Gewinn abwirft und unter distinktiven Aspekten gut, was dies nicht tut. Das zumindest ist UNSERE Perspektive. Ein Stefan Hantel, den Du weiter unten anführst, mag das durchaus anders sehen, auch kommt hier noch der Faktor einer persönlichen Imageaufwertung zum tragen, jedoch in völlig anderen Kontexten; ich spreche auch von Zielgruppen.
Auf der anderen Seite steht doch generell die Frage im Raum, warum ist [jedes] Unfriendly-Takeover-Konzept mutmaßlich defizitär – ist eine Veranstaltung in kulturpsychologischer Hinsicht nicht "gut", sollte sie sich tragen? Im Laufe der "Szene"-Gewöhnungsprozesse scheint eine nichtfunktionierende Wirtschaftlichkeit letztendlich nur bestimmte, verschobene Erwartungen seitens eines Publikums zu erfüllen, was nicht zwingend auch noch die Veranstaltungen besuchen muss, um hinterrücks meinungsbildend zu wirken.
> die vier euro unkostenbeitrag finanzieren (wenns gut geht) hoffentlich die
> unkosten des künstlerischen programms (portable muss z.b. nach dtl. anreisen
> - aber klar, man kann ja einfach auch nur frankfurter künstler nehmen). die
> getränke hoffentlich den rest (anlage, technik, getränke und dergleichen
> mehr) und wenns ganz gut geht auch einen teil restlichen abende, wie den
> salons.
>
> wie du vielleicht bemerkt hast, ohne allerdings eine mail zu schreiben,
> waren alle anderen abende bisher ohne eintritt. und jeder, der so eine
> veranstaltung gemacht hat, weiss, das bei einer gästezahl von 100-200 leuten
> mit getränken allein, all die unkosten schwer zu decken sind.
Mein Vorschlag war sicher ungewöhnlich, doch durchaus konstruktiv gemeint. Es ist bedauerlich, dass ein [interessiertes] Publikum möglicherweise abgeschreckt würde, wenn es sich auf einen weitgehend offen gelassenen Obulus einzulassen hätte. Dabei ist es doch fair, für eine kleine, exklusive Darbietung etwas mehr zu entrichten als für ein gut besuchtes Event.
> ich finde auch, dass vieles viel zu teuer ist - aber jeder, der sich ein
> bisschen nachdenkt und sich mit solchen sachen auskennt, weiss, dass man bei
> solchen sachen draufzahlt. was unser problem ist. aber wenn man dann noch
> allabendlich mit den bierfeilschern,
> leereflaschenausdenkistenklauernumpfandzukassierern und
> denkfaulennörgelmailschreibern etc. rummachen muss, find ich mich in meiner
> sanktfrannziskushaftikgeit doch etwas genervt.
Auch das ist eine intrasystemische Problematik, dass ein gutes Bier einen schicken Abend erfordert und umgekehrt, sprich: dass der Konsum von sekundären, materiellen Gütern primär im Vordergrund steht, sowohl für das Publikum als auch für den Veranstalter.
> ansonsten: wenn du einsteigen willst: zehn prozent vom minus oder plus jeder
> takeover-veranstaltung - jederzeit. wobei wir uns ab und zu erlauben, eine
> querfinanzierung zu machen: mal ne party mit plus um das geld bei nächster
> gelegenheit wieder in den sand zu setzen. ich geb dir gern die telefonnummer
> von unserem kassenmenschen.
Tut mir leid, ich habe schon [privat] ausreichend Unkosten bei unseren bucovinazitären Musikerziehungsabenden zu tragen, wie z.B. Mietwagen für Leute aus Kassel, farbige Booklets für Marios Konzeptabend, zu dem bedauerlicherweise niemand [sic!] gekommen war, die restliche Gage für eine Band aus Hamburg, die der Eintritt nicht eingespielt hat undsoweiter. Und wenn ich Dein Angebot im Sinne einer realen Chance zur Querfinanzierung anderer Veranstaltung ergreifen sollte, hätte ich ein verständliches Interesse, insoweit konzeptionellen Einfluss zu nehmen, als das eine gewisse Wahrscheinlichkeit zum Tragen käme, dass die Abende tatsächlich einen Gewinn einspielten. Aber das wäre ja auch nur ein weiterer Kompromiss und eine Interessenverschiebung weg von Kunst [?] hin zu Bucovina 2.
> ein projekt wie "hallo" von leuten, die orte wie den "kiosk" gemacht haben,
> mit üblichen labelpräsentationen zu vergleichen, ist schon sehr originell.
Wieso? Gibt es "gute" und "böse" labels? Kann eine Markenkonzeption altruistisch sein, wenn ich label als Marke, unter der Tonträger vertrieben [vermarktet] werden, begreife? Und wenn es Kunst [hoho!] wäre, wäre es dann nicht auch Ökonomien verhaftet, die der Umverteilung symbolischer [und imaginärer] Güter dienten?
> irgendwie kommt mir die "musikerziehung" in letzter zeit auch vor wie der
> bukovina-club. und the thing wie yahoo.
Ist das jetzt gut oder schlecht?
PS. Was ist "yahoo"?