Scherbenhaufen
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Die sogenannte politische Kunst ist deswegen so begehrt und attraktiv, weil Politik immer noch als etwas Schmutziges gilt, als korrupt und dreckig. Der Politiker ist (Beuys hin oder her) so ziemlich das Gegenteil vom Künstler. Politik beruht auf Macht, Kunst dagegen auf Machtlosigkeit. Kunst kann aber dort am Besten aufscheinen, wo ihr der grösstmögliche Kontrast zur Nicht-Kunst gesichert bleibt.
Nichts ist daher besser geeignet als Schmutz, Dreck und Scheisse zu Gegenständen der Kunst zu erheben. Neben der Politik wird nichts mehr beschimpft als das Wetter, was eigentlich zu metereologischer Kunst anregen sollte.Kunst aber ist der ewige Sozialfall, des Gewissens, des Anstands, der Sittlichkeit. Deshalb bleibt sie auch weiterhin unter, weil man dann daraus wunderbare Distinktionsgewinne ziehen kann. Man kenn sich da da aus.
Das Museum sehnt sich insgeheim nach Dingen, die ihm am Entferntesten liegen, nur dadurch können sie gefahrlos inkorporiert werden.
Auch wenn das Museum das eine odere andere als unverständlich oder ungeeignet ablehnt, operiert es auf Basis der größtmöglichen Differenz zu seiner eigenen Struktur. Das Museum ist gerne blöde, borniert, gemein, und läßt sich auch straflos so beschimpfen, solange es die Differenz zu seiner Sammlung aufrecht erhalten kann.
Konzeptuelle Kunst wird daher auch gerne gesehn, insbesondere in Zusammenhang mit aus-dem-Bauch-heraus Malerei. Kunstvereinsdirektor: Das ist aber nicht konzeptuell, was Sie da malen...... Maler: Doch, ich male den Hegelschen Weltgeist..... Das Konzeptuelle steht in naher Verwandtschaft zum Wissenschaftlichen, was als trocken und verkopft aufgefasst und daher im Gegensatz zur Kunst verstanden wird.
Gut ist auch feministische Kunst, weil die nach Aufruhr und Aufbegehren riecht. Frauen, die ihre Möse (gerne auch blutig) ausstellen oder gegen patriarchale Muster im Kunstbetrieb protestieren, bestätigen damit das Schema der Unterdrückung, nach dem es notwendig ein „Oben“ und ein „Unten“ geben muss, sowie einen Wandel, der eins mit dem anderen austauscht. Damit haben sie beste Chancen ins Museum aufgenommen zu werden, gegen das sie vormals opponiert haben. Das gleiche gilt für Kunst aus der 3. Welt oder ähnlichen Randlagen. Desolate Verhältnisse sind unordentlich und chaotisch, folglich scheisse.
Das steht alles jenseits der eigentlichen Qualität der betroffenen Arbeiten/Kunstwerke, sondern beschreibt das Gefüge, in das sie eingeordnet werden.
Künstler wie Oliver Ressler arbeiten immer noch im Horizont des „Unpolitischen“, weil sie die alte Unterscheidung des Heiligen (Kunst) und Profanen (Politik) weiter tradieren. Sie fassen Politik als das „Andere“ auf, in das Kunst eindringen müsse. Damit gehen sie aber der banalen Vorstellung von Kunst als dem Leben fremdes auf den Leim, weil sie Kunst insgeheim als Nicht-Kunst (als nicht genug politisch, nicht genug engagiert etc) setzen und ihre Transzendenz in Bereiche fordern, die nach ihrer oberflächlichen Auffassung als /Nicht-Kunst/ gelten. Damit wird aber Kunst als Unmöglichkeit sistiert und damit negiert. Kunst muß möglich sein; politisch dahingehend, dass sie sich als nicht-politisch setzt. Nur wenn sie nicht von vornherein politisch ist, kann sie auch möglich politisch sein.
Kunst ist ein Nichts, aber Politik wenigstens ein Etwas; zumindestens gehts da manchmal um Leben und Tod. Künstler die die Nichtigkeit der Kunst nicht aushalten, versuchens daher gerne mit politischer Kunst, weil sie dann so an die Mächtigkeit der Politik anschliessen können. Hier liegt der Kurzschluß vor, daß gewichtige Themen auch gewichtige Kunst machen. Dem ist nicht so. Denn schon in ihrer plattesten Auslegung wird Kunst schön genannt. Nun liegt aber ein gewaltiger Unterschied zwischen einem schrecklichen Ereignis und einem schönen Bild eines schrecklichen Ereignisses. Kriegsberichterstatter werden aus diesem Grund immer wieder ermahnt sich der Bilder zu erwehren; die sogenannte politische Kunst behauptet daher gerne, daß sie ja real wäre, aber entgeht damit nicht der Versuchung, daß auch das jemand endlich als schön bezeichnet.